Verstörende Sex-Details und grausame Gewaltberichte: Rund sechs Wochen lang sagten im Prozess gegen den früheren Rap-Superstar Sean „Diddy“ Combs mehr als 30 Zeugen und Zeuginnen aus - und das alles im grellen Scheinwerferlicht der Weltpresse. Jetzt folgen die Schlussplädoyers.
Und dann? Ein Rückblick auf sechs Prozesswochen - und ein Ausblick auf ein mögliches Urteil.
Die anklagende Staatsanwaltschaft präsentierte in dem Verfahren mehr als 30 Zeugen und Zeuginnen, darunter frühere Partnerinnen und Mitarbeiter des Rappers. Ex-Freundin und Schlüsselzeugin Cassie Ventura beispielsweise schilderte, wie Combs sie zu Sex mit fremden Männern gezwungen habe. Sie berichtete auch von Drogen und körperlicher Gewalt.
Auch weitere Frauen warfen dem Rapper jahrelangen sexuellen Missbrauch und Gewalt vor. Zahlreiche andere Zeugen beschrieben detailliert, wie sie Combs dabei halfen, Sex-Veranstaltungen in Hotels zu organisieren.
Die Verteidigung wiederum präsentierte keinen einzigen Zeugen. Combs selbst, der sämtliche Anschuldigungen bestreitet und auf nicht schuldig plädiert, sagte auch nicht selbst aus.
Das Verfahren weckte Erinnerungen an ähnliche Prozesse wegen Sexualstraftaten gegen Ex-Superstars in den vergangenen Jahren - unter anderem gegen den Musiker R. Kelly, den Comedian Bill Cosby oder den Produzenten Harvey Weinstein. Die Vorwürfe gegen Weinstein hatten vor rund acht Jahren die weltweite MeToo-Bewegung angestoßen, die allerdings inzwischen schon wieder viel Gegenwind bekommen hat.
In den Schlussplädoyers können beide Seiten noch einmal versuchen, der Jury den jeweiligen Standpunkt klarzumachen. Warum Combs schuldig sei - oder eben nicht. Danach, möglicherweise am Montag, ziehen sich die zwölf Geschworenen zu Beratungen über das Urteil zurück. Sie haben dafür so viel Zeit, wie sie brauchen - bis zu einem Urteil könnte es also wenige Stunden, oder aber auch viele Tage dauern.
Combs ist unter anderem wegen Sexhandels, organisierter Kriminalität und weiterer Straftaten angeklagt. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft dem Rapper vor, über Jahre hinweg Frauen missbraucht, bedroht und genötigt zu haben, seine sexuellen Wünsche zu erfüllen. Er habe ein „kriminelles Unternehmen“ mit Helfern geführt. Bei einer Verurteilung droht Combs - der in der Vergangenheit unter anderem die Pseudonyme „Puff Daddy“, „P. Diddy“ und „Diddy“ benutzte - eine lebenslange Haftstrafe.
Über die Einzelheiten des Urteils muss die Jury entscheiden - dabei ist es auch möglich, dass Combs nur teilweise schuldig gesprochen wird. Die zentrale Frage ist dabei nicht, ob das Verhalten von Combs redlich war. Dass es das nicht war, das räumt selbst die Verteidigung ein. Aber: War es auch strafbar?
Die Verteidigung rief auch deshalb keine eigenen Zeugen oder Zeuginnen auf, weil sie argumentierten, dass in den bereits erfolgten Zeugenaussagen ihr Narrativ deutlich zum Vorschein gekommen sei: Combs behandelte viele Menschen, vor allem seine Ex-Freundinnen, teils furchtbar, führte toxische Beziehungen - diese seien aber einvernehmlich gewesen. Eine Ex-Freundin berichtete beispielsweise, dass sie trotz allem immer Zuneigung für Combs gehabt habe.
Die Anklage argumentiert dagegen, dass Combs' Verhalten die Schwelle zur Straftat überschritten habe. Sie wirft ihm sogar organisierte Kriminalität vor, ein Anklagepunkt, der ursprünglich für Bandenkriminalität wie jene der Mafia geschaffen wurde. Dieser Vorwurf wurde schon bei dem Prozess gegen Sänger R. Kelly erfolgreich eingesetzt, um eine systematische Struktur von sexuellem Missbrauch offenzulegen.
Bleibt die Frage: Hat die Anklage die Geschworenen erfolgreich überzeugt? Viele Beobachter halten es eher für wahrscheinlich, dass es zwar zu einer Verurteilung von Combs kommt - die Jury aber nicht bei allen Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft mitgeht.
Der 1969 im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Musiker sitzt seit September in Untersuchungshaft. Bei einem Freispruch könnte er diese verlassen. Wird er schuldig gesprochen, wird das Strafmaß von Richter Arun Subramanian wie üblich zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben. Combs könnte in Berufung gehen.
Neben der Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft gibt es allerdings auch noch zahlreiche Zivilklagen gegen Combs, der dreimal verheiratet war und sieben Kinder hat. Unter anderem vertritt eine Anwaltskanzlei im texanischen Houston eigenen Angaben zufolge rund 120 Menschen mit Vorwürfen gegen den Rapper.
Unterstützung bekam Combs im Prozess von seiner Mutter und seinen Kindern, die häufig im Publikum waren. Auch Combs' umstrittener Rap-Kollege Kanye West schaute einmal vorbei. Ansonsten haben sich viele seiner früheren Freunde von ihm abgewendet. Ein Comeback des früheren Superstars, der mit Hits wie „I'll Be Missing You“ und „Bad Boy For Life“ sowie einem eigenen Musiklabel und einer Modemarke in den vergangenen Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern der Welt gehörte, scheint also zumindest erstmal schwierig.
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