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Veröffentlicht am 24.06.2024 09:15

Scholz kündigt Entlastungen für Firmen an

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim Tag der deutschen Industrie 2024 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim Tag der deutschen Industrie 2024 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim Tag der deutschen Industrie 2024 des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Es war eine Generalkritik: Zwei „verlorene Jahre“ für den Wirtschaftsstandort Deutschland warf Industriepräsident Siegfried Russwurm der Bundesregierung vor, das Kanzleramt unterschätze offenbar den Ernst der Lage. Der Kanzler konterte, sprach von „Turnaround-Jahren“ und warnte davor, den Standort schlechtzureden. Das war im April - zwei Monate später sind beide Seiten am Montag beim Tag der Industrie in Berlin um Deeskalation bemüht. 

Russwurm als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sagte, er habe vom Kanzler selten so oft die Worte Tempo und Geschwindigkeit gehört. Scholz eröffnete seine Ausführungen damit, dass er bei der Rede Russwurms häufig geklatscht habe. Der Kanzler umriss Punkte eines geplanten Wachstumspakets. Aber Russwurm machte auch deutlich: Die Koalition muss nun liefern. 

Ampel vor wichtigen Weichenstellungen 

Die deutsche Wirtschaft dümpelt vor sich hin, der BDI erwartet für 2024 nur ein Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. Schwaches Wachstum aber bedeute geringere Spielräume im Staatshaushalt, sagte Russwurm. Um genau den geht es derzeit bei den Verhandlungen in der Bundesregierung über den Haushalt 2025. Es müssen Milliardenlöcher gestopft werden. Mehrere Ressorts wollen Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht einhalten. Die Koalition plant außerdem ein „Dynamisierungspaket“, um das Wachstum anzukurbeln. 

Russwurm forderte die Ampel aus SPD, Grünen und FDP zu einem deutlichen Signal für mehr Wachstum auf. Die Industrie stehe zum Standort Deutschland, Firmen wollten investieren und wachsen. „Das geht aber nicht mit angezogener Handbremse.“ Das angekündigte „Dynamisierungspaket“ müsse seinem Namen gerecht werden. Damit mehr Unternehmen investierten, müssten Abschreibungen erleichtert werden. Zur Wunschliste zählen auch: weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen, mehr Fachkräfte, geringere Unternehmenssteuern. 

Scholz stellt Entlastungen in Aussicht

Russwurm sagte, im Kanzleramt gebe es ein klares Problembewusstsein. Übersetzt bedeutet das: Die Regierungszentrale hat erkannt, dass etwas getan werden muss, um das Wachstum anzukurbeln. In der Industrie hieß es hinter den Kulissen, von einem „grünen“ Wirtschaftswunder durch den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft habe der Kanzler nicht mehr gesprochen - ein solches Wunder erwarten auch die wenigsten in der Industrie. 

Scholz sagte mit Blick auf das „Dynamisierungspaket“, die Bundesregierung wolle private Investitionen fördern. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Sachen Abschreibung und Forschungsförderung noch eine Schippe drauflegen auf das, was uns mit dem Wachstumschancengesetz gelungen ist.“ Dafür sei aber auch die Zustimmung der Länder notwendig. 

Das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung mit Entlastungen für Firmen war nach einem Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag vom Volumen her deutlich geringer ausgefallen als geplant.

Kanzler: Mehr Arbeitsanreize

Der Kanzler sagte weiter, das Arbeitsangebot solle ausgeweitet werden, indem freiwilliges, längeres Weiterarbeiten deutlich attraktiver gemacht werde. Zudem sollten die Erwerbstätigkeit von Eltern erleichtert und Arbeitsanreize erhöht werden, auch steuerlich. 

In der Industrie wird man genau hinschauen, was bei dem Paket am Ende herauskommt - das beschlossene und im Vermittlungsverfahren zerrupfte Gesetz bezeichnete Russwurm als „Wachstumschancengesetzchen“. 

Eines wird aber nicht kommen, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: Milliardenschwere Sondervermögen zum Beispiel für die Sanierung der teils maroden Infrastruktur. Solche kreditfinanzierten Sondervermögen außerhalb der Schuldenbremse und unter bestimmten Voraussetzungen hatte der BDI vorgeschlagen. Der Verband hält einen zusätzlichen öffentlichen Finanzierungsbedarf von bis zu 400 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren für nötig, um den Standort zu stärken. 

Zusagen in der Energiepolitik - und offene Fragen 

Eine der am häufigsten von der Wirtschaft genannten Nachteile im internationalen Vergleich sind hohe Energiepreise. Scholz sagte mit Blick auf den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft, ihm sei bewusst, dass die Transformation wegen eines unterschiedlichen Niveaus der Energiepreise weltweit eine Herausforderung für den Standort Deutschland darstelle. 

Er verwies auf Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung wie die Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz für produzierende Unternehmen. Die Bundesregierung spreche derzeit intensiv darüber, wie Entlastungen verstetigt werden könnten, machte der Kanzler deutlich. Unternehmen sollten Klarheit bekommen. 

Klarheit fordert die Industrie auch bei wichtigen Entscheidungen an anderer Stelle. Dabei geht es zum Beispiel um die Kraftwerksstrategie der Regierung. Zwar hatte sich die Regierung auf Eckpunkte geeinigt zur Förderung neuer Gaskraftwerke, die später mit Wasserstoff betrieben werden sollen - und „Backups“ sein sollen für erneuerbare Energiequellen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Eine beihilferechtliche Genehmigung der EU-Kommission aber steht noch aus - und offen ist auch das künftige Design des Strommarktes. Solche offene Fragen sieht Russwurm zum Beispiel auch beim Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes.

© dpa-infocom, dpa:240624-99-508929/5


Von dpa
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