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Veröffentlicht am 15.04.2025 12:05

Taurus-Lieferung an Ukraine bleibt brisantes Thema

Eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist Dauerstreitthema. (Archivbild) (Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa)
Eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist Dauerstreitthema. (Archivbild) (Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa)
Eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist Dauerstreitthema. (Archivbild) (Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr/dpa)

Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge - seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar 2022 war die Lieferung bestimmter Waffensysteme in Deutschland umstritten. Über nichts wurde jedoch länger und hitziger diskutiert als über die Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes mit Taurus-Marschflugkörpern. Die Ukraine fordert sie. Der geschäftsführende Kanzler Olaf Scholz (SPD) verweigert sie. Und sein voraussichtlicher Nachfolger Friedrich Merz (CDU) - liefert er sie?

Was macht den Taurus für die Ukraine so interessant?

Der Taurus KEPD-350 gilt als einer der modernsten Flugkörper der Bundeswehr. Mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern müssen Piloten nicht in den feindlichen Luftraum eindringen, um ihn abzufeuern. Die rund fünf Meter langen, fast 1.400 Kilogramm schweren Flugkörper sind mit einem eigenen Triebwerk sowie vier unabhängigen Navigationssystemen ausgestattet. Im autonomen Tiefflug in weniger als 50 Metern Höhe können sie nur schwer von der gegnerischen Flugabwehr getroffen werden. 

Beim Aufschlag können nach Angaben der Bundeswehr „stark gehärtete Zielstrukturen“ wie etwa Bunkeranlagen durchbrochen werden. Dort soll dann das 480 Kilogramm schwere Sprengkopfsystem Mephisto explodieren. Das Waffensystem kommt unter anderem mit den Kampfflugzeugen Tornado und Eurofighter zum Einsatz. 

Die Ukraine könnte mit den Marschflugkörpern auch Ziele auf russischem Gebiet angreifen, etwa Militärbasen, von denen Russland seine Angriffe mit Raketen und Drohnen startet. Die von der Ukraine bereits mehrfach angegriffene und beschädigte, aber nicht zerstörte Brücke auf die Halbinsel Krim wäre ebenfalls ein potenzielles Ziel. Taurus-Marschflugkörper könnten aber auch bis Moskau fliegen.

Verfügt die Ukraine schon über ähnliche Waffensysteme?

Ja. Großbritannien hat Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow geliefert, Frankreich das baugleiche System Scalp. Auch hierbei handelt es sich um weiter reichende Marschflugkörper für Präzisionsangriffe auf Ziele wie Bunker oder kritische Infrastrukturen. Sie werden von Kampfflugzeugen wie Eurofighter, Tornado, Rafale und Mirage 2000 eingesetzt und haben eine Reichweite von über 250 Kilometern. Damit liegt ihre Reichweite deutlich unter der des Taurus.

Außerdem haben die USA der Ukraine ATACMS-Kurzstreckenraketen geliefert, die vom Boden aus abgefeuert werden. Ihre Reichweite beträgt bis zu 300 Kilometer. Nach dem Abschuss fliegen sie eine ballistische Kurve und detonieren dann am Boden. Obwohl sie als schwer abzufangen gelten, sind sie wesentlich weniger präzise als Marschflugkörper. 

Warum will Scholz den Taurus nicht liefern?

Das zentrale Argument von Scholz gegen die Lieferung von Taurus-Systemen lautet: Deutschland liefe dann Gefahr, in den Krieg hineingezogen zu werden, was es zu verhindern gelte. Es sei alles zu unternehmen, damit „wir nicht Kriegspartei werden“, sagte Scholz im November vergangenen Jahres im Bundestag. „Ich bin dagegen, dass mit von uns gelieferten Waffen weit in russisches Territorium hineingeschossen werden kann.“ 

Im Februar 2024 erklärte Scholz bei der dpa-Chefredaktionskonferenz: „Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein.“ Scholz erklärte seinerzeit, dass für den Einsatz eine Beteiligung deutschen Personals nötig wäre, was nicht infrage komme. „Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden.“

Wie ist die Position von Merz?

Der wohl künftige Bundeskanzler Merz hatte schon als Oppositionsführer gefordert, der Ukraine auch mit dem Taurus zu helfen. Damit könnten Nachschubwege zerstört werden, die Moskau nutze, um die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bombardieren, lautete sein Argument.

In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ betonte Merz nun auf die Frage, ob seine Bereitschaft zur Unterstützung der Ukraine mit den Marschflugkörpern noch immer gelte: „Ja, ich habe das genauso gesagt, wie ich es gemeint habe. Nicht, dass wir selbst in diesen Krieg eingreifen, sondern dass wir die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten.“ Er habe aber immer gesagt, dass er das nur in Abstimmung mit den europäischen Partnern tun würde. „Das muss abgestimmt werden, und wenn es abgestimmt wird, dann sollte Deutschland sich daran beteiligen.“

Ist der Taurus Thema im Koalitionsvertrag von Union und SPD?

Nein. Dort heißt es nur: „Die Ukraine werden wir umfassend unterstützen, sodass sie sich gegen den russischen Aggressor effektiv verteidigen und sich in Verhandlungen behaupten kann.“ An anderer Stelle heißt es, dass die Ukraine als starker, demokratischer und souveräner Staat eigenständig und mit euro-atlantischer Perspektive über seine Zukunft bestimme, sei von zentraler Bedeutung für unsere eigene Sicherheit. „Wir werden deshalb unsere militärische, zivile und politische Unterstützung der Ukraine gemeinsam mit Partnern substanziell stärken und zuverlässig fortsetzen.“

Ändert die SPD jetzt ihre Position?

Das ist noch offen. Aber zumindest eine skeptische Grundhaltung bleibt. Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte bei einer SPD-Konferenz in Hannover, für die Lieferung von Taurus gebe es zwar gute Argumente, es gebe aber auch „viele Argumente, gute Argumente dagegen“. Nur einen Teil davon könne man öffentlich diskutieren. 

Der SPD-Linke Ralf Stegner kritisierte Merz für seine jüngsten Äußerungen: „Die öffentliche Erörterung solcher Fragen wie des Einsatzes einzelner Waffensysteme war, ist und bleibt unvernünftig“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Im Übrigen sollten die Anstrengungen, den Krieg so bald wie möglich zu beenden und zu einem tragfähigen Friedensschluss zu kommen, erste Priorität haben.

Wird der Taurus zum Zankapfel in einer schwarz-roten Koalition?

Auch das ist noch offen. Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul setzt aber auf ein Einvernehmen mit der SPD. „Friedrich Merz hat seine Bereitschaft wiederholt, den Taurus auch als Hebel für eine Politikänderung durch Russland einzusetzen. Das ist ein wichtiges Signal“, sagte er der Mediengruppe Bayern. „Auch die SPD weiß – nicht zuletzt seit den erneuten russischen Kriegsverbrechen in Sumy –, dass man mit Putin anders umgehen muss.“

© dpa-infocom, dpa:250415-930-441077/1


Von dpa
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