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Veröffentlicht am 09.03.2024 06:42

Verband befürchtet möglichen Kaffeemangel ab 2025

Geröstete Kaffeebohnen liegen auf einem Tisch. In der Woche vor Weihnachten senkt Aldi die Preise für Kaffee deutlich. Edeka, Rewe, Penny, Netto und Norma kündigten an, dem Beispiel zu folgen. (Foto: Fabian Sommer/dpa)
Geröstete Kaffeebohnen liegen auf einem Tisch. In der Woche vor Weihnachten senkt Aldi die Preise für Kaffee deutlich. Edeka, Rewe, Penny, Netto und Norma kündigten an, dem Beispiel zu folgen. (Foto: Fabian Sommer/dpa)
Geröstete Kaffeebohnen liegen auf einem Tisch. In der Woche vor Weihnachten senkt Aldi die Preise für Kaffee deutlich. Edeka, Rewe, Penny, Netto und Norma kündigten an, dem Beispiel zu folgen. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die Kaffeebranche in Deutschland sieht die Kaffeeversorgung ab dem kommenden Jahr infolge einer neuen EU-Verordnung nicht mehr sicher gewährleistet. „Uns droht eine Unterversorgung auf dem deutschen und europäischen Markt. Die Preise für den dann noch verfügbaren Kaffee werden signifikant steigen“, teilte der Deutsche Kaffeeverband mit.

Dem widerspricht die EU-Kommission. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hieß es bei der Behörde, es seien keine Tatsachen bekannt, dass die Verordnung Lebensmittelpreise anheizen würde. Man rechne mit sehr begrenzten Auswirkungen auf die Preise der von der Verordnung abgedeckten Rohstoffe.

Holger Preibisch, der Geschäftsführer des Kaffeeverbands fordert, die Anwendung der EU-Regelung zu verschieben. Andernfalls seien weltweit Millionen Kaffeebauern in ihrer Existenz bedroht.  Es geht um die im vergangenen Jahr in Kraft getretene und ab dem 30. Dezember anzuwendende EU-Regelung für entwaldungsfreie Lieferketten. Am Freitag hatte bereits die „Lebensmittel Zeitung“ über die Sorgen des Verbands berichtet. 

Die Regelung verlangt von Unternehmen künftig eine Sorgfaltserklärung, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Das gilt dabei nicht nur für Rohstoffe wie Kakao- oder Kaffeebohnen, auch bestimmte Folgeprodukte wie Schokolade, Leder oder Möbel sind erfasst. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit hohen Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in der EU rechnen.

„Derzeit erfüllten nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderungen“

Der Kaffeeverband, der etwa 360 Unternehmen und Organisationen vertritt, befürwortet den Inhalt der Regelung nach eigenen Angaben zwar. Es sei jedoch nicht möglich, die erforderlichen Daten bis Ende 2024 vollständig bereitzustellen. „Derzeit erfüllen nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderungen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Preibisch. Er beklagt auch den bürokratischen Aufwand. Sowohl Händler, die Kaffee importieren, als auch abnehmende Röstereien müssten bei jeder Lieferung aufs neue eine Risikobewertung der Daten vornehmen und diese an die EU schicken. Wegen der politischen Strukturen in einigen Anbauländern sei es schwierig, die Informationen zu beschaffen, dazu fehle es noch immer an einer geeigneten Schnittstelle. 

In einem Schreiben an die Bundesregierung drängte die Branche kürzlich darauf, die Anwendung der Regelung zu verschieben. Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erklärte auf Nachfrage, sich in Brüssel für Lösungswege einzusetzen. „Im Bereich des Kaffeehandels bestehen derzeit noch Hürden, um die Umsetzung bis zum Ende der Übergangszeit vollständig umzusetzen. Dazu gehört, dass die Rückverfolgbarkeit von konventionellem, nicht-zertifiziertem Kaffee aktuell noch nicht in allen Fällen bis zur Farm umgesetzt werden kann“, sagte ein Sprecher. 

Die Kommission hatte das Gesetz im November 2021 vorgeschlagen und dabei auch die Auswirkungen des Vorhabens untersucht. Die Untersuchung kam den Angaben zufolge zum Schluss, dass die Kosten, die den Unternehmen durch Vorschriften entstehen, deutlich geringer seien als die erwarteten Vorteile. Dazu zählen etwa Zugang zum EU-Markt und dass die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt. Darüber hinaus gebe es insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen mehr Zeit, bis sie sich an das Gesetz halten müssten. 

Neben dem Branchenverband sehen auch große Kaffeehersteller die neue EU-Regelung kritisch. Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dallmayr Kaffee, spricht von einem „grotesken Verwaltungsaufwand“ für Unternehmen und Bauern. Die Regelung schneide Kleinbauern wie in Äthiopien absehbar vom europäischen Markt ab. Die Kommission betont, die Unterstützung von Kleinbauern habe Priorität. Durch das Gesetz würden Erzeuger aus Drittländern nicht diskriminiert, es gebe keine versteckte Beschränkung des Handels.  

Die Kaffeeröster Lavazza, Melitta und Darboven („Idee-Kaffee“, „Mövenpick“) teilte mit, sich an das EU-Gesetz halten zu wollen, es brauche aber mehr Zeit. „Die Folgen werden eine klare Verknappung des Angebots von Rohkaffee sein und die Preise dadurch steigen“, sagte eine Sprecherin von Darboven. 

Deutschland zweitgrößter Kaffeeimporteur der Welt

Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) sieht die Lage nicht ganz so angespannt und befürchtet persönlich keinen Kaffeemangel ab Jahreswechsel. Er hat aber Verständnis für die Sorgen der Industrie. Es sei vor allem wichtig, Klimaschutzziele umzusetzen. Daher sei er bereit, beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten flexibel zu sein. „Persönlich bin ich auch der Meinung, dass eine Änderung der Rechtsgrundlage nach der Wahl in Richtung mehr Pragmatismus eine denkbare Option ist“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Deutschland ist nach Angaben des Kaffeeverbands mit 1,1 Millionen Tonnen im Jahr nach den USA der zweitgrößte Kaffeeimporteur der Welt. Der Rohkaffee kommt aus 15 bis 20 Ländern, der Hauptanteil entfällt auf Brasilien (30 Prozent) und Vietnam (20 Prozent).

Auch anderen Branchen bereitet das EU-Gesetz Kopfschmerzen, zum Beispiel der Süßwarenindustrie. Der Kakao-Markt ist zurzeit ohnehin angespannt, der Preis stieg wegen Ernterückgängen in Anbauländern zuletzt auf einen Rekordstand. Torben Erbrath, Geschäftsführer des Branchenverbandes BDSI, fordert mehr Zeit für die Umsetzung. „Wenn die Voraussetzungen für eine praktikable Umsetzung nicht gegeben sind, werden viele Rohstoffe aus Drittländern und die daraus hergestellten Produkte in der EU nicht verkehrsfähig sein“. 

© dpa-infocom, dpa:240309-99-275227/2


Von dpa
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