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Veröffentlicht am 25.03.2025 00:08

Wie der Nio ET9 der S-Klasse die Schau stiehlt

Wie First-Class-Fliegen am Boden: Der Tester ist vom Fahrkomfort des Nio ET9 begeistert. (Foto: Nio/dpa-tmn)
Wie First-Class-Fliegen am Boden: Der Tester ist vom Fahrkomfort des Nio ET9 begeistert. (Foto: Nio/dpa-tmn)
Wie First-Class-Fliegen am Boden: Der Tester ist vom Fahrkomfort des Nio ET9 begeistert. (Foto: Nio/dpa-tmn)

Ihre Stückzahlen sind bislang noch klein, doch umso größer sind ihre Ambitionen. Denn zehn Jahre nach dem Start will die China-Marke Nio jetzt die Oberklasse aufmischen und bringt dafür den ET9 ins Rennen. Den Abmessungen nach fährt der elektrische Luxusliner von 5,32 Metern gegen Konkurrenten wie eine Mercedes S-Klasse oder einen BMW 7er.

Aber wenn es um den Anspruch der Chinesen geht, dann heißen die Wettbewerber Maybach und Bentley. Allerdings haben die zumindest bei uns noch ein bisschen Schonfrist: Während der ET9 daheim in China in bereits diesem Frühjahr zu Preisen ab etwa 100.000 Euro in den Handel kommt, muss das Flaggschiff erst noch ein paar Klippen umschiffen und Hindernisse überwinden, bis es 2026 auch durch Europa fährt. Doch das Warten könnte sich lohnen.

Ein anziehender Luxus ohne Protz und Peinlichkeiten

Denn die für dieses Segment eher schlicht und schnörkellos gezeichnete Fließhecklimousine, die sich LED-Orgien genauso spart wie Lametta aus Chrom, lockt mit einem anziehenden Luxus, der angenehm zurückhaltend inszeniert und deshalb umso wohlgefälliger ist.

Das beginnt beim Ambiente, das nobel, aber nüchtern wirkt und sich anders als bei Mercedes nicht mit einem bunten Feuerwerk auf riesigen Bildschirmen oder bei Bentley mit reichlich analogem Bling-Bling in den Vordergrund spielt.

Statt digitalem Overkill gibt es sorgsam inszenierte und trotzdem vollflächige Displays in einem Cockpit, das wie die Suite eines Design-Hotels wirkt und nicht wie die Kommandozentrale eines Raumschiffs oder das Herrenzimmer eines schottischen Landschlosses.

Im Liegen durch den Dauerstau

Daneben werben die Chinesen bei 3,25 Metern Radstand und nur vier Sitzen mit Platz in Hülle und Fülle und einem Komfort, wie man ihn sonst nur aus dem First-Class-Flieger kennt. Nicht umsonst wird der Rücksitz auf Knopfdruck zur Loungeliege mit Beinauflage und der Vordersitz spendiert noch zusätzlich eine Fußablage. Außerdem sind natürlich alle vier Sessel beheizt, gekühlt und mit Massagefunktion ausgestattet, es gibt einen Arbeitstisch und sogar einen Safe.

Und wo andere ein Barfach haben, baut Nio fast so was wie eine kleine Küche ein: Nun ja, immerhin bleiben in der Box unter der Mittelarmlehne die Getränke kalt bis minus 2 Grad - und Essen wird auf bis zu 55 Grad erwärmt.

Reisen wie über den Wolken 

Vor allem aber will Nio technisch einen Unterschied machen und leistet sich deshalb eine neue Drive-by-wire-Plattform mit SkyRide-Technologie. So nennen die Chinesen die Bodengruppe ihres Flaggschiffs, die eine elektronische Lenkung ohne mechanische Verbindung hat, die Hinterräder mit oder gegen die Fahrtrichtung einschlagen kann.

Zudem verfügt sie über eine rasend schnelle Hydraulik-Federung mit 48-Volt-Aktoren. Heißt: 1000-mal pro Sekunde wird neu berechnet. Sie kann jedes Rad heben und senken - um bis zu 20 Zentimeter. Das Fahrwerk lässt Bodenwellen wie weggebügelt wirken und ignoriert Querfugen oder Schlaglöcher.

Temposchwellen verlieren ihren Schrecken und selbst Bordsteinkanten spürt man kaum. Sogar zwei Plattfüße bei hohem Tempo führen nicht zu Turbulenzen. Sondern rasend schnell soll die adaptive Federung den Höhenunterschied ausgleichen und ungerührt fährt die Limousine weiter geradeaus, bis der Fahrer sie abgebremst hat.

Statt in den Polstern herum geschaukelt zu werden, wähnt man sich deshalb wie bei einem Flug auf Flughöhe Null und schwebt wie über den Wolken durch den dichten Feierabendverkehr. Dabei nutzt der ET9 nicht nur Kameras und Radarsensoren, sondern auch eine Cloud-Datenbank, in der die gesamte Nio-Flotte zumindest in China jede Unebenheit speichert, über die ein Auto der Marke jemals gerollt ist.

Beim Antrieb wird geklotzt und nicht gekleckert

Weniger überraschend sind dagegen die elektrischen Eckdaten des ET9. Denn dass sie beim E-Antrieb vorn dran sind, haben uns die Chinesen schon oft genug beweisen. Für ihr Flaggschiff bedeutet das neben dem konkurrenzlosen Wechselsystem zudem Akkus mit 100 oder 120 kWh für eine Reichweite von bis zu 750 Kilometern. Und als wären sie dem Wettbewerb damit nicht schon weit genug voraus, laden sie auch noch mit mehr als 600 kW. Dann genügen fünf Minuten in besten Fall für mehr als 250 Kilometer zusätzlicher Reichweite.

Das Eckige muss durchs Runde

Aber der ET9 ist nicht nur an der Ladesäule flott, sondern auch auf der Straße. Die beiden Motor je leisten zusammen 520 kW/707 PS. Und 700 Newtonmeter (Nm) Drehmoment reichen aus, um den gut und gerne drei Tonnen schweren Koloss in 4,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu katapultieren.

Auf der Autobahn schafft er 220 km/h und auf der Landstraße wirkt er so agil, dass man sich für einen runden Fahrstil erst mal an das beinahe eckige Lenkrad gewöhnen muss, so schnell und leichtfüßig flitzt der Luxusliner um die Kurven und fühlt sich dabei nur noch halb so lang an.

Fazit: Luxus, next Level

Er ist zwar nicht so repräsentativ wie eine S-Klasse oder ein 7er und erst recht nicht so protzig wie ein Maybach oder ein Bentley. Doch mit seinem noblen Interieur und seinem First-Class-Fond muss der Nio ET9 den Vergleich mit den europäischen Luxuslinern nicht scheuen. Und wenn es um Antrieb und Fahrwerk geht, bietet er Luxus auf dem nächsten Level. Wenn er jetzt noch die Hindernisse auf dem Weg nach Europa nimmt, weht im Oberhaus vielleicht bald ein frischer Wind aus Fernost. Datenblatt: Nio ET9 

 

 

 

 

© dpa-infocom, dpa:250324-930-413265/1


Von dpa
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