Die Traumwohnung im Altbau kann schnell zum Alptraum werden - wenn man älter wird, auf einen Rollstuhl angewiesen ist oder mit dem Kinderwagen nicht in die obere Etage kommt zum Beispiel. In zwei Fällen hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun ein Machtwort gesprochen und das Recht auf bauliche Veränderungen für einen barrierefreien Umbau des Gemeinschaftseigentums in Mehrfamilienhäusern betont.
In einem Fall billigten die Karlsruher Richter einen Außenaufzug im Innenhof eines Jugendstilhauses in München, im zweiten Fall eine Terrasse mit Rampe an einer Wohnanlage in Bonn (Az. V ZR 244/22 und V ZR 33/23).
Im Münchner Fall hatte die Wohneigentümergemeinschaft eines denkmalgeschützten Jugendstilensembles zwei Eigentümern im dritten und vierten Obergeschoss einen Aufzug am Hinterhaus verwehren wollen. Zu Unrecht, urteilte der BGH. Die höchsten deutschen Zivilrichter sahen in dem geplanten Aufzug keine dem Gesetz widersprechende grundlegende Umgestaltung - zumal die Fassade des ehemaligen Gesindehauses ohnehin schlichter gestaltet sei als die des Vorderhauses, das im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München erhalten hatte.
Etwaige Beeinträchtigungen durch Verschattung oder Lärm seien durch die bauliche Gestaltung des Aufzugs und die Materialien „bis zu einem gewissen Grad noch bei der Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung steuerbar“, so der BGH. Barrierefreier Wohnraum solle nach dem Willen des Gesetzgebers vorangetrieben werden. „Dem müssen Gerichte Rechnung tragen“, sagte die Vorsitzende BGH-Richterin Bettina Brückner bei der Urteilsverkündung.
Große Freude herrschte nach dem Urteil bei Kläger Klaus Ehrl. Seine Mieter mit Baby können demnächst mit Kinderwagen in den vierten Stock des Münchner Altbaus gelangen. Ehrl will sich nun möglichst schnell mit den anderen Eigentümern zusammensetzen und einvernehmlich mit ihnen den Aufzug planen und umsetzen.
Der BGH hatte die Fälle vor dem Hintergrund des 2020 reformierten Wohnungseigentumsrechts geprüft. Danach kann jeder Eigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen. Nicht gestattet sind aber Veränderungen, die eine Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer benachteiligen. Die Reform wollte Älteren oder Menschen mit Behinderung bauliche Veränderungen im Sinne der Barrierefreiheit erleichtern.
Im Münchner wie auch im Bonner Fall konnte der BGH keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage oder eine Benachteiligung anderer durch die geplanten Veränderungen erkennen. Bei der Bonner Wohnanlage hatte die Mehrheit der Eigentümergemeinschaft auf der Rückseite des Gebäudes eine Rampe als barrierefreien Zugang sowie eine etwa 65 Zentimeter hohe Terrasse schon gebilligt. Gegen diesen Beschluss hatten sich aber einige Eigentümer gewandt.
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