Das Rind wurde drei Jahre alt, lebte auf der Schwäbischen Alb und legte rund 9,7 Millionen Schritte in seinem Leben zurück. Kurzum: Das Tier hatte wohl ein gutes Leben auf der Weide. Angaben wie diese könnten Verbraucher irgendwann im Supermarkt, im Restaurant oder in der Kantine lesen. Die Realität sieht zurzeit anders aus.
Viele Verbraucher wären dafür bereit, höhere Preise für Fleisch aus besserer Tierhaltung zu bezahlen. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt, würden 58 Prozent mehr Geld ausgeben, wenn höhere Standards gegeben sind und 25 Prozent nicht.
Ein Extrembeispiel für Transparenz in der Viehhaltung stellt das Konzept des Stuttgarter Start-ups „Million Steps“ („Millionen Schritte“) dar. Das 2022 gegründete Unternehmen hat in seiner Testphase Rinder und Kühe mit Chips an den Ohren ausgestattet, die mithilfe von GPS-Satelliten die Bewegung der Tiere verfolgen und speichern können. Das Start-up will mithilfe dieser Daten ein Label auf den Markt bringen, das die Art der Tierhaltung digital veranschaulichen kann. Bei Milchprodukten oder Rindfleisch könnten Kunden einen QR-Code scannen und unter anderem den Geburtsort und die Schritte des Tieres einsehen, die es auf einer Weide zurücklegte. „Wir wollten keinen komplexen Regelkatalog für ein Label haben, sondern die Daten einfach transparent dem Endverbraucher zeigen“, sagt Geschäftsführer Rico Noël. Zurzeit befinde sich das Produkt noch in der Entwicklungsphase.
Angaben wie das Tierwohl-Label oder zur Haltungsform wurden bisher auf freiwilliger Basis gemacht. Im Juni 2023 wurde dann ein Gesetz für eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Demnach gibt es fünf Haltungsformen von „Stall“ bis „Bio“. Diese Kennzeichnung soll vorerst für Schweinefleisch gelten und bald auf andere Tierarten übertragen werden.
Agrarminister Cem Özdemir brachte Anfang dieses Jahres zudem neue Regelungen für die Landwirtschaft auf den Weg: unter anderem strengere Vorgaben für bessere Lebensbedingungen von Tieren und eine neue Regelung zur Herkunftskennzeichnung beim Fleischkauf, nach welchem unverpacktes Fleisch mit der Herkunft gekennzeichnet sein muss. Der politische Trend ist sichtbar: Es soll mehr Transparenz in der Viehhaltung geben.
Die Verbraucherzentralen begrüßen die Regelung zu Herkunftskennzeichnungen beim Fleischkauf, fordern aber weitergehende Schritte etwa für Kantinen und Restaurants. Die Chefin des Bundesverbandes, Ramona Pop, wies Ende Januar darauf hin, dass Verbraucher in der Speisekarte erkennen können sollten, woher das Fleisch auf ihrem Teller stammt.
Auch die Tierschutzorganisation Peta befürwortet den Trend zu mehr Transparenz, kritisiert aber den bisherigen Umgang mit Informationen. Für die Agrarwissenschaftlerin und Peta-Fachreferentin für Tiere in der Ernährungsindustrie, Lisa Kainz, ist das neue Herkunftskennzeichnungsgesetz kontraproduktiv. Wenn Fleisch aus Deutschland komme, bestehe der Irrglaube, dies sei ein besonderes Qualitätsmerkmal. „Dem ist aber in keinster Weise so. Die Tierschutzgesetze in Deutschland sind marginal“, beklagt Kainz. Die Wissenschaftlerin wünscht sich eine Anpassung des Konsumverhaltens, da Tiere nicht wirtschaftlich gehalten werden könnten, ohne dass sie darunter leiden müssten.
Die elektronische Verfolgung von Tieren nutzen bereits viele Landwirte. Milchbäuerin Kerstin Wosnitza beispielsweise hat ihre 110 Kühe in Nordfriesland mit Sensoren ausgestattet, die die Bewegungen aufzeichnen, um Informationen über Tierwohl, Gesundheit und Fruchtbarkeit zu erhalten. Größere Betriebe hätten das häufig, um ihre Herden besser „managen“ zu können, sagt die Bäuerin. Dass diese Daten der digitalen Überwachung wie bei „Million Steps“ zusätzlich an die Verbraucher weitergegeben werden könnten, geht einen Schritt weiter. Wosnitza, die sich im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter engagiert und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ist, kann sich eine Umsetzung gut vorstellen. Dies könne man sicher koppeln.
Grundsätzlich sei jedoch die Bereitschaft der Verbraucher wichtig, mehr Geld für mehr Tierwohl ausgeben zu wollen. „Wenn keine Gelder auch von der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, dann werden es die im harten Wettbewerb wirtschaftenden Tierhalter sehr schwer haben, sich mit ihrer Tierhaltung dem anzunähern, was Verbraucher, was Bürger gerne wollen.“
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