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Veröffentlicht am 21.10.2022 19:19

Ein paar Kilometer Richtung Santiago

Die Gruppe um Dr. Oliver Gußmann (links) traf sich zum Start an der Jakobsfigur vor der Kirche. Unterwegs beherzigten die Teilnehmer dann die Empfehlung, auch immer wieder allein zu gehen. (Foto: Jürgen Binder)
Die Gruppe um Dr. Oliver Gußmann (links) traf sich zum Start an der Jakobsfigur vor der Kirche. Unterwegs beherzigten die Teilnehmer dann die Empfehlung, auch immer wieder allein zu gehen. (Foto: Jürgen Binder)
Die Gruppe um Dr. Oliver Gußmann (links) traf sich zum Start an der Jakobsfigur vor der Kirche. Unterwegs beherzigten die Teilnehmer dann die Empfehlung, auch immer wieder allein zu gehen. (Foto: Jürgen Binder)

2463 Kilometer sind es auf dem Jakobsweg von Rothenburg bis nach Santiago de Compostela. Auf den ersten fünf davon bewegten sich rund 15 Frauen und Männer, einige davon absolute Pilgernovizen. Die kurze Strecke war für sie lang genug, um zu spüren, worum es geht bei dieser Form der Selbstbeschäftigung.

Organisiert hatte die Tour Dr. Oliver Gußmann, der mit dem Wesen des Pilgerns vertraut ist, und zwar von Berufs wegen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Touristenseelsorger in Rothenburg darf und soll er nämlich auch Pilgeraktivitäten anbieten. In der evangelischen Landeskirche gibt es für dieses Themenfeld ein bayernweites Netzwerk, in welchem Gußmann als Referent mitwirkt.

Die Männer und Frauen, die ihn als Begleiter für eine kurze Tour auf dem Jakobsweg buchten, haben ebenfalls Verbindung zur Kirche. Es handelt sich um Singles aus ganz Bayern, die über ein von kirchlicher Seite initiiertes Netzwerk miteinander in Kontakt stehen. Sie tauschen sich digital über Gott und die Welt aus, treffen sich aber auch real in unregelmäßigen Abständen, wie eben jetzt in Rothenburg zum Pilgern. Weil Pfarrer Gußmann den Termin publik gemacht hatte, schlossen sich der Gruppe für die Wanderung auf dem Jakobsweg auch ein paar Einheimische an.

Logischer Ausgangspunkt war die Jakobsfigur vor der dem Heiligen geweihten Hauptkirche der Stadt. Dort erläuterte Oliver Gußmann den Teilnehmern ein paar grundsätzliche Dinge zum Thema. So gelte die Jakobsmuschel, also das Pilgerzeichen schlechthin, auch als Auferstehungssymbol, weil ihre Form ein bisschen an das leere Grab Jesu erinnere, erklärte er. Der Pilgerhut könne als „Bild für Gott“ verstanden werden, der den Reisenden auf seinem Weg behüte. Und der Rucksack des Pilgers sei immer offen – als Zeichen dafür, dass das darin befindliche Brot gerne geteilt werde mit anderen.

Das Pilgern unterscheide sich vom konventionellen Wandern dadurch, dass sein Hauptzweck die Beschäftigung mit der eigenen Lebenssituation sei. Deswegen empfehle es sich auch, zumindest Teile der Strecke allein zu gehen, so der Pfarrer. Die Frauen und Männer beherzigten diesen Hinweis, in dem sie zur inneren Einkehr immer wieder Soloabschnitte absolvierten, auf dem Weg die Weinsteige hinunter an der Kobolzeller Kirche vorbei über die Tauber und von dort die Blinksteige hoch bis zum Aussichtspunkt Engelsburg.

Die Tour absolvierte neben zahlreichen Pilger-Debütanten auch ein Routinier mit: Frank Lipski, 54 Jahre alt und von Beruf Konstrukteur, erzählte beiläufig, dass er sich alle zwölf Monate jeweils zwei Wochen Zeit nimmt für eine längere Fußetappe auf dem großen Jakobsweg Richtung Santiago de Compostela.

Er war vor fast 20 Jahren vom polnischen Glogau aus mit dem niederschlesischen Teilstück eingestiegen und kommt dem Zielpunkt an der spanischen Atlantikküste seither immer näher. Lipski geht jeweils von dort aus weiter, wo seine Reise im Vorjahr geendet hatte. Sein nächster Abschnitt startet bei Toulouse in Südfrankreich. „Morgen wird der Rucksack für den Flug gepackt“, berichtete er und bezeichnete die für seine Verhältnisse sehr kurze Runde bei Rothenburg als schönes Aufwärmprogramm für die Fortsetzung seines Lebensprojektes.

Carmen Kühlwein, die die Pilgertour bei Rothenburg mitorganisiert hatte, kann ebenfalls mitreden, denn sie absolvierte schon den rund 200 Kilometer langen Jakobsweg-Abschnitt zwischen Rothenburg und Rottenburg am Neckar.

Andrea König hingegen bezeichnete sich als reine „Schnupperpilgerin“. Sie habe Rückenprobleme und schaffe deshalb keine großen Fußtouren, weshalb diese Kurzform ihr eine perfekte Möglichkeit biete, das Wesen des Pilgerns zumindest ein bisschen zu verstehen.

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