Mittlerweile weisen rund 20 Prozent der notleidenden Vögel, die in der Obhut von Andreas Ritz landen, seinen Angaben nach an Vergiftungserscheinungen. „Weil sie vergiftete Nager gefressen haben“, erläutert der Vorsitzende des Vereins Greifvogelauffangstation Mittelfranken mit Sitz im Diebacher Ortsteil Unteröstheim.
Apathisch, appetitlos, torkelnd und ohne ihre natürliche Scheu gegenüber Menschen – das sind die typischen Symptome, mit denen Eulen und Greifvögel bei ihm abgegeben werden, die vergiftete Nagetiere verzehrt haben und sich dadurch selbst vergiftet haben. Manche kann Andreas Ritz, Chef der Greifvogelauffangstation südlich von Rothenburg, retten. Für andere kommt jede Hilfe zu spät.
Wie hoch die Dunkelziffer der Tiere ist, die am Verzehr vergifteter Nager sterben, könne er sich gar nicht vorstellen, sagt Ritz. Er glaubt, dass die wenigsten gefunden werden. Denn Greifvögel leiden seines Wissens stumm und haben weder Gestik noch Mimik.
Und sie sind nicht die einzigen natürlichen Feinde von Mäusen, gegen die in der Landwirtschaft toxische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Mäuse sind auch die Hauptnahrungsquelle von Mardern, Wieseln, Katzen und Hermelinen.
Für sie alle endet der Verzehr von vergifteten Nagern tödlich, wenn sie nicht rechtzeitig gefunden und behandelt werden. Daher sieht Ritz durch den Einsatz von Giftködern gegen Mäuse in der Landwirtschaft das gesamte Ökosystem gefährdet.
In der Regel gebe es alle drei Jahre eine hohe Population an Feldmäusen. „Sie richten in der Landwirtschaft tatsächlich Schaden an“, räumt Ritz ein, „aber nicht existenzbedrohend“.
Viele Landwirte bekämpfen Feldmäuse durch Gift. Dadurch versprechen sie sich mehr Gewinn. Ritz kann nicht nachvollziehen, warum sie die Natur das „Nagerproblem“ nicht selbst regeln lassen. Denn die Rechnung sei ganz einfach: Je mehr Mäuse es im Nahrungsangebot gibt, desto größer wird auch die Population ihrer Fraßfeinde. „Im Tierreich ist rund um die Uhr jemand da, der sich mit großem Appetit darum kümmert, den Mäusebestand zu reduzieren“, sagt der Unteröstheimer.
Auf die Selbstregulationskräfte der Natur zu vertrauen, wäre unschädlich für das Ökosystem und kostenlos für die Landwirte. Außerdem arbeite die Natur nachhaltiger. Schließlich wirke das Gift nur eine gewisse Zeit lang.
Das Gift, das in der Landwirtschaft gegen Mäuse eingesetzt wird, wirkt laut Ritz mit einer Verzögerung von drei, vier Tagen. Dann verbluten die Nager innerlich. Wenn sie vorher von einem anderen Tier gefressen werden, blüht ihm das gleiche Schicksal. „Diese vielen, qualvollen Tode ereignen sich normalerweise im Verborgenen, vom Menschen unbemerkt, da sich vergiftete Tiere zum Sterben meist zurückziehen“, gibt Ritz zu bedenken.
Um die Öffentlichkeit und insbesondere die Landwirte für das Thema zu sensibilisieren, bietet er Vorträge an. Er ist gerne bereit, bei Vereinen, oder Institutionen über den Einsatz von Gift gegen Mäuse in der Landwirtschaft und die daraus resultierenden Konsequenzen zu referieren.
Ritz kennt viele Bauern, die es ablehnen, Gift mit Legeröhren in Mauselöchern zu deponieren. „Bei uns im Ort macht das keiner“, versichert er. Und er hofft, noch viele weitere Bauern davon zu überzeugen, es den Unteröstheimer Landwirten gleich zu tun.
Wenn ein Greifvogel Beute gefressen hat, das mit Pflanzenschutzmittel auf Kumarinbasis kontaminiert ist, verabreicht ihm der Experte in seiner Auffangstation Vitamin K als Gegengift. „Das wirkt auf die Leber“, erläutert Ritz. Ist das Tier jedoch mit Granulat auf Zinkphosphidbasis vergiftet, bedeutet das seinen sicheren Tod. Es gibt kein Gegenmittel.
Im vorigen Jahr sind zehn Schleiereulen mit Vergiftungserscheinungen in seiner Auffangstation abgegeben worden. Acht davon sind eingegangen. „Wir müssen immer wieder Tiere einschläfern lassen. Das ist natürlich traurig. Aber wenn wir dann wieder welche auswildern können, ist das ein schönes Gefühl. Die Tiere sind auch dankbar“, so die Erfahrung des Experten. Obwohl seine ehrenamtliche Arbeit aufreibend ist, habe er noch nie ans Aufhören gedacht, sagt er. „Denn wer soll sich sonst um die Vögel kümmern, wenn nicht wir?“ Er sei froh über die gute Zusammenarbeit mit Tierärzten, insbesondere mit Torsten Brehm aus Spielbach.
Ritz hat sowohl den Jagd- als auch den Falknerschein. Dass es nach wie vor erlaubt ist, Pflanzenschutzmittel auszulegen, die auch auf die Fraßfeinde von Mäusen eine toxische Wirkung haben, wohingegen bei der Jagd sinnvollerweise kein Blei mehr als Munition eingesetzt werden darf, versteht der Experte nicht.
Bei der Jagd sei Blei verboten, weil es auf Tiere, die angeschossenes Wild fressen, toxisch wirke, erläutert Ritz. Er wünscht sich, dass bald auch ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln gegen Mäuse in Kraft tritt.