Grün beruhigt, Waldgeräusche entspannen, und der Duft von Moos verleiht das Gefühl, wieder geerdet zu sein. Wir können durchatmen. Das wissen wir nicht nur dank etlicher Studien. Doch wie lässt sich die wohltuende Kraft der Natur in den Alltag integrieren? Über die Begegnung mit dem Wald: Wir haben mit einer Ärztin und einer Psychologin gesprochen.
Schon kurze Aufenthalte im Grünen bauen Stress ab. Farben, Geräusche und Düfte des Waldes senken den Cortisolspiegel und entspannen uns – körperlich und geistig.
Denn: „Die Natur, der Wald, lädt uns ein, unsere Sinne zu öffnen. Im Gegensatz zum Büro oder einer Umgebung mit Straßenlärm. Dort verschließen sich unsere Sinne“, sagt Dr. Elisabeth Rauh, Chefärztin im Fachzentrum für Psychosomatik der Schön Klinik Bad Staffelstein. In der oberfränkischen Klinik ist Waldbaden Teil des Therapieangebots bei psychosomatischen Erkrankungen.
„Im Wald kommen Menschen mit sich selbst in Verbindung“, erklärt die Psychologin Suse Schumacher. Und zwar, weil die natürlichen Reize diese Entspannungsmomente fördern, die notwendig sind, um den Geist zu öffnen. „Nur in der Entspannung können wir weiterdenken und in den Lösungsraum eintreten.“ Schumacher arbeitet als systemische Coachin in Berlin und nutzt den Wald als Therapieraum. Über ihre Arbeit im Waldcoaching hat sie ein Buch („Die Psychologie des Waldes“) geschrieben.
Dabei wirken Naturräume wie Spiegel, so Schumacher: Lichtungen, Bäume oder Tiere können als Metaphern dienen, um Veränderungen anzustoßen. „Der Wald kommuniziert mit uns, wir gehen mit ihm in Resonanz. Wenn man still ist, kommen die Vögel näher. Ein Dialog entsteht“, beschreibt sie die Dynamik.
Eine wichtige Besonderheit: Der Wald bietet einen Rückzugsort, an dem keine Anforderungen gestellt werden. „Im Wald darf ich einfach sein, niemand erwartet etwas von mir“, sagt Schumacher. Diese Freiheit - Stichwort Durchatmen - fördert innere Ruhe und erleichtert die Achtsamkeit.
Das klingt schon ein bisschen anders als ein gewöhnlicher Spaziergang unter Bäumen, und das ist es auch: Es geht darum, den Wald bewusst zu betreten, ihm „ohne Absicht und frei zu begegnen“, sagt Elisabeth Rauh. In Japan wurde dafür der Begriff „Shinrin Yoku“, geprägt, das „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“. Seit den 80er Jahren ist diese Praxis dort anerkannt und gehört zur Gesundheitsvorsorge. Und sie findet auch hierzulande immer mehr Anhänger.
Wie bekommen wir es hin, dass das Eintauchen gelingt? Dabei helfen Rituale:
In Japan gibt es sogar „Waldbademeister“, doch fürs Waldbaden benötigt man nicht zwingend eine therapeutische Begleitung. Es reicht, das Prinzip zu verstehen, damit man es alleine weiterführen kann, so Rauh. In ihrer Klinik dauert ein Waldbad zwei Stunden. Für Anfänger ist diese Dauer ebenfalls ratsam. Später kann auch eine kurze Mittagspause im Grünen genügen, um eine ähnliche Wirkung hervorzurufen, sagt sie.
Nicht jeder hat einen Wald direkt vor der Haustür. Doch auch ohne direkten Zugang gibt es Möglichkeiten, Natur in den Alltag zu integrieren:
Wichtig bei allen Maßnahmen: dass man sich auf Natur einlässt, sie wahrnimmt. Dafür muss man bewusst innehalten und den Moment der Ruhe nutzen, um von der äußeren Wahrnehmung zur inneren zu kommen.
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