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Veröffentlicht am 07.02.2024 17:10

Pläne für Tierwohlcent werden konkreter

„Als „Ersatz” für den Agrardiesel taugt eine Tierwohlabgabe nicht, sondern wäre ein weiterer schiefer Kompromiss“, findet der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)
„Als „Ersatz” für den Agrardiesel taugt eine Tierwohlabgabe nicht, sondern wäre ein weiterer schiefer Kompromiss“, findet der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)
„Als „Ersatz” für den Agrardiesel taugt eine Tierwohlabgabe nicht, sondern wäre ein weiterer schiefer Kompromiss“, findet der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Pläne für einen „Tierwohlcent“ als Preisaufschlag für Fleisch im Supermarkt werden konkreter. Das Agrarministerium hat auf Bitte der Ampel-Fraktionen ein Konzept erarbeitet. Dieses diene als Grundlage für die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte, wie es in einem Papier heißt, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung

Angesichts der Bauernproteste gegen die Streichung von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel hatte sich Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) dafür starkgemacht, eine planungssichere Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung mit einem Tierwohlcent auf tierische Produkte auf den Weg zu bringen.

Dabei geht es um eine schon 2020 von einer Kommission um den früheren Agrarminister Jochen Borchert empfohlene Tierwohlabgabe auf tierische Produkte im Supermarkt. Als Orientierung hatte das Gremium einen denkbaren Aufschlag von 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst genannt. Hintergrund ist, dass die Kommission bis 2040 einen schrittweise steigenden Finanzierungsbedarf von bis zu 3,6 Milliarden Euro pro Jahr für den Umbau der gesamten Tierhaltung ermittelte.

„Nicht harmonisierte Verbrauchsteuer“

Im Papier des Agrarministeriums heißt es, die Höhe des Steuersatzes wäre politisch zu entscheiden. Die zu prüfende Steuer sei eine „nicht harmonisierte Verbrauchsteuer“, ähnlich der Kaffeesteuer. Das bedeutet, es handelt sich um eine nationale Verbrauchsteuer, die von der EU-Harmonisierung ausgenommen ist. Das Steueraufkommen aus der Kaffeesteuer steht dem Bund zu.

Als „Steuergegenstand“ werden in dem Papier unter anderem Fleisch und Fleischerzeugnisse genannt. Einnahmen aus der Verbrauchsteuer würden in den Bundeshaushalt fließen. Das Vorhaben werde innerhalb von maximal fünf Jahren evaluiert. Insbesondere solle die Wirkung der Steuer untersucht und die allgemeine Preisentwicklung ermittelt werden.

Ein Sprecher des Agrarministeriums sagte, in den vergangenen Wochen habe die Landwirtschaft eine große Unterstützung erfahren, aus der Bevölkerung wie auch aus allen demokratischen Parteien. „Es ist deswegen gut, wenn die Diskussion um eine langfristige finanzielle Unterstützung der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl in der Ampel stattfindet.“

Finanzministerium zurückhaltend

Weil es sich um Steuerfragen handelt, ist das Finanzministerium federführend. Eine Sprecherin von Minister Christian Lindner (FDP) zeigte sich zurückhaltend zu einem „Tierwohlcent“. Die FDP will keine Steuererhöhungen. Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP hatten angesichts der bundesweiten Bauernproteste konkrete Maßnahmen zur Entlastung der Landwirtschaft bis zum Sommer in Aussicht gestellt.

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, sagte: „Als „Ersatz” für den Agrardiesel taugt eine Tierwohlabgabe nicht, sondern wäre ein weiterer schiefer Kompromiss. Die Landwirtschaft braucht jetzt vor allem Lösungen, die alle Betriebe entlasten.“ Die vorgeschlagene Ausgestaltung eines „Tierwohl-Cent“ setze am falschen Ende an. „Es ist vollkommen unklar, wie sichergestellt werden soll, dass das Geld am Ende auch beim Landwirt ankommt - dies muss aber Sinn und Zweck einer Tierwohlabgabe sein. Zudem würde eine Verbrauchssteuer erst einmal massive Bürokratie und Zusatzkosten schaffen.

Der Bauernverband kämpft weiter dafür, dass die Streichung beim Agrardiesel zurückgenommen wird. Das letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen. Zwar hat der Bundestag einem Gesetz, in dem die Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel enthalten ist, zugestimmt. Dieses muss aber noch den Bundesrat passieren. Die Union will die Zustimmung zu einem Wachstumspaket mit steuerlichen Entlastungen für Firmen von einer Rücknahme der Agrardiesel-Streichungen abhängig machen - zum Wachstumspaket läuft ein Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag.

Union wirft Özdemir Ablenkung vor

Unionsfraktionsvize Steffen Bilger sagte, es liege noch kein von allen Koalitionspartnern getragenes Konzept zur Finanzierung des Stallumbaus und zur Deckung der deutlich höheren Betriebskosten für Tierwohl-Ställe vor. Bei dem Papier aus dem Agrarministerium handle es sich um ein „durchschaubares Manöver“, das von dem „Versagen“ Özdemirs beim Agrardiesel ablenken solle. „Eine neue Fleischsteuer zur Abfederung zusätzlicher Kosten durch den Stallumbau ist kein Ausgleich für die Belastung der Landwirtschaft durch das von der Koalition beschlossene Agrardiesel-Aus.“

Dagegen sagte die Grünen-Politikerin Renate Künast: „Gut, dass wieder Bewegung in die Debatte um den Tierwohlcent kommt. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass uns gemeinsam vom Bundesministerium für Finanzen und Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein fertiges Konzept für eine Verbrauchssteuer und die Umlage an die tierhaltenden Betriebe vorgelegt wird.“ Ein tragfähiges Konzept zur Finanzierung sei nötig, wenn sich möglichst viele Betriebe in der Tierhaltung stärker an den Bedürfnissen der Tiere orientieren sollten, als durch die eine Milliarde, die bisher im Haushalt zur Verfügung stehe.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, sagte: „Endlich kommt was in Bewegung. Eine Fleischabgabe haben wir schon lange gefordert.“ Nach dem Borchert-Konzept gehe es um 40 Cent je Kilogramm. „Wer Fleisch isst, dem muss das Tier vier Cent je 100 Gramm Fleisch zusätzlich wert sein. Wer sich dagegen ausspricht, dem sind die Tiere egal.“ Die FDP müsse jetzt Farbe bekennen.

© dpa-infocom, dpa:240207-99-906303/6


Von dpa
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