Feuchtwangen hofft auf die Botschafterin | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 17.02.2022 21:54

Feuchtwangen hofft auf die Botschafterin

Der amerikanische Präsident Joe Biden will Amy Gutmann, langjährige Präsidentin der University of Pennsylvania, zur Botschafterin in Berlin machen. Sie muss noch vom Senat bestätigt werden. Foto: imago images/ZUMA Wire
Der amerikanische Präsident Joe Biden will Amy Gutmann, langjährige Präsidentin der University of Pennsylvania, zur Botschafterin in Berlin machen. Sie muss noch vom Senat bestätigt werden. Foto: imago images/ZUMA Wire
Der amerikanische Präsident Joe Biden will Amy Gutmann, langjährige Präsidentin der University of Pennsylvania, zur Botschafterin in Berlin machen. Sie muss noch vom Senat bestätigt werden. Foto: imago images/ZUMA Wire

Nirgends in Deutschland wird Amy Gutmann mit so viel Vorfreude erwartet wie in Feuchtwangen. Die Professorin aus Amerika soll neue US-Botschafterin in Berlin werden. Ihr Vater ging in Feuchtwangen zur Schule.

„Wir laden Amy Gutmann ganz herzlich ein“, erklärte Bürgermeister Patrick Ruh gestern gegenüber der FLZ. „Die Einladung gilt unabhängig davon, ob sie tatsächlich Botschafterin wird.“ Nominiert von Präsident Joe Biden, muss die 71-Jährige noch vom US-Senat bestätigt werden. Dies gilt zu normalen Zeiten als Routine, doch Amy Gutmann hat mehrfach die Politik von Ex-Präsident Donald Trump kritisiert, was Konsequenzen bei den Republikanern haben könnte.

Nach ihrem Studium an Elite-Unis in Harvard und London hatte sie eine steile Karriere als Politikwissenschaftlerin begonnen. Dabei war ihr Vater das wichtigste Vorbild, sagte sie einmal in einem Interview. „Seine gesamte Familie wäre ausgelöscht worden, wenn er nicht das getan hätte, was er für nötig hielt.“

Kurt Gutmann war im Jahr 1910 in Feuchtwangen zur Welt gekommen. Seine Heimatstadt hat zu ihm etliche Informationen im Archiv. „Das verdanken wir den Forschungen der Arbeitsgemeinschaft zur Feuchtwanger Heimatgeschichte“, verweist Patrick Ruh auf die Verdienste von historisch interessierten Bürgern. Diese widmeten sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder auch dem Schicksal von jüdischen Familien.

Als internationale Medien am Mittwoch meldeten, dass Amy Gutmann als Botschafterin in das Heimatland ihres Vaters zurückkehren könnte, stieß das in Feuchtwangen auf besonderes Interesse. „Es würde viele Menschen unheimlich freuen, wenn es klappt. Und sie dann als neue amerikanische Botschafterin die Heimatstadt ihres Vaters besucht“, so der Bürgermeister. „Aber sie ist auf jeden Fall eingeladen, auch ohne dieses Amt.“

In den Feuchtwanger Archiven ist bisher festgehalten, dass Kurt Gutmann unmittelbar nach der Schule im Jahr 1927 von Feuchtwangen nach Nürnberg zog. Noch im gleichen Jahr ging es für ihn nach Frankfurt. Im Jahr 1934 erkannte er früher als viele andere die tödlichen Gefahren für Deutsche jüdischen Glaubens in der NS-Diktatur und verließ seine Heimat.

In den Vereinigten Staaten fand der Feuchtwanger keine Aufnahme. Er ging nach Indien, holte mehrere Brüder mit deren Frauen nach und baute in Bombay, dem heutigen Mumbai, einen Handel mit Altmetall auf. Als er 1948 sein ursprüngliches Ziel besuchen durfte, verliebte er sich in New York so sehr in eine Amerikanerin, dass er sie nach wenigen Wochen heiratete.

Kurz darauf zog Kurt Gutmann von Indien nach New York, wo er eine eigene Altmetall-Handlung eröffnete. Seine Frau Beatrice brachte im November 1949 die Tochter Amy zur Welt. Amy Gutmann zeigte an der Schule überragende Fähigkeiten und zählte nach dem Studium rasch zur akademischen Elite der USA. Seit 2004 steht sie an der Spitze der University of Pennsylvania. Sie erreichte durch Stipendien unter anderem herausragende Bildungschancen für Kinder aus benachteiligten Familien.

In Feuchtwangen hatte ihr Großvater Abraham Gutmann 1896 einen Handel für Stoffe, fertige Kleidern und Bettfedern in der Hindenburgstraße 6 (dem heutigen Buchhaus Sommer) eröffnet. Er war auch nach dem Exil seines Sohnes in der Stadt geblieben. Sein Vertrauen, dort weiter eine Lebenschance zu haben, ging am 20. Dezember 1937 zu Ende.

„Damals griff ein Mob jüdische Bürger an“, berichtet Patrick Ruh. „Abraham Gutmann wurde von der Polizei in Schutzhaft genommen, um sein Leben zu retten.“ Der Mob wütete schon fast ein Jahr vor der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Auch in anderen Orten Frankens kam es 1937 zu Mordversuchen an jüdischen Männern, Frauen und Kindern.

Nach dem Mob in Feuchtwangen ging Abraham Gutmann nach Erfurt. „Dort verliert sich seine Spur. Wir versuchen jetzt, noch mehr zum Schicksal der Familie zu erfahren“, kündigte Bürgermeister Ruh an. Er verwies darauf, dass sich Feuchtwangen stark beim Programm zu 1700 Jahren jüdischer Geschichte in Deutschland engagiert. Dazu würde neben den familiären Wurzeln ein Besuch von Amy Gutmann sehr gut passen, sagte Ruh. „Wir hoffen, dass ihr ein Besuch möglich sein wird.“

Manfred Blendinger

Der Artikel erschien erstmals am 2. Juli 2021 in der FLZ

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