Der Bundesfinanzhof hat der Einführung einer für Männer und Frauen gleichermaßen geltenden Einheitssterbetafel in Deutschland eine Absage erteilt. In einem Revisionsverfahren um die großzügige Schenkung eines Unternehmers an seine Kinder urteilte der II. Senat, dass die üblichen geschlechtsspezifischen Sterbetafeln nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen.
Sterbetafeln sind die von der Rentenkasse und anderen Versicherern genutzten Kalkulationen der restlichen Lebenserwartung. Da Frauen im Schnitt länger leben als Männer, sind die Sterbetafeln nach Geschlecht getrennt.
In dem Verfahren ging es um einen Steuerstreit eines Sohns mit seinem Finanzamt, der jedoch mittelbare Auswirkungen weit über den Einzelfall hätte haben können. Der in Nordrhein-Westfalen lebende 74 Jahre alte Vater hatte seinen Kindern 2014 Anteile an einer GmbH geschenkt, sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten, um weiter frei über die Geschicke der Firma entscheiden zu können. Kläger war ein Sohn, dessen Firmenanteil knapp 782.000 Euro wert war.
Da die Kinder in solchen Fällen zwar Miteigentümer sind, aber nicht nach Belieben schalten und walten können, gewähren die Finanzämter einen Steuerabzug bei der Berechnung der Schenkungssteuer. Dabei kommen die Sterbetafeln ins Spiel: Ein maßgeblicher Faktor beim Kapitalwert lebenslanger Nießbrauchsrechte ist die verbleibende Lebenserwartung des Schenkenden.
Im konkreten Fall hatte der Vater laut Sterbetafel für Männer noch knapp achteinhalb Jahre zu leben. Das Finanzamt zog vom Wert des geschenkten Firmenanteils gut 345.000 Euro ab, die der Kläger nicht versteuern musste.
Doch das war dem Mann zu wenig: Er argumentierte, dass die geschlechterspezifische Sterbetafel gegen das Diskriminierungsverbot verstoße. Der finanzielle Hintergrund: Da Frauen länger leben, ist auch im Alter von 74 die restliche Lebenserwartung einer Frau höher. Gäbe es eine Einheitssterbetafel für Frauen und Männer, käme der Mittelwert heraus. Die restliche Lebenserwartung eines Mannes würde sich zumindest rechnerisch etwas verlängern, und in dem konkreten Fall wäre der Steuerabzug mutmaßlich etwas höher ausgefallen.
Schon in erster Instanz vor dem Finanzgericht Köln hatte der Mann verloren. Nun urteilte auch der II. Senat des höchsten deutschen Finanzgerichts, dass nach Geschlecht getrennte Sterbetafeln für Zwecke der Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht gegen das Grundgesetz verstoßen.
In dem Prozess vor dem Bundesfinanzhof ging es unmittelbar zwar nur um die Festsetzung der Schenkungssteuer eines einzigen wohlhabenden Klägers. Doch eine Entscheidung, dass nach Geschlecht getrennte Sterbetafeln verfassungswidrig sind, hätte in der Folge Auswirkungen auf Krankenversicherung, Rentenversicherung und Lebensversicherung in ganz Deutschland gehabt.
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