Manchmal passiert es schnell: Da ist die 80-jährige Mutter gestürzt und kommt ins Krankenhaus, während der Vater mit beginnender Demenz alleine zu Hause ist. Manchmal zeichnen sich gesundheitliche Probleme der Eltern aber auch schon über Wochen und Monate ab.
Für viele erwachsene Kinder ist die Konsequenz jedoch dieselbe: Sie müssen ihren Alltag umkrempeln und organisieren, wie sie sich trotz ihrer eigenen Berufstätigkeit um ihre Eltern kümmern können.
Die gute Nachricht: „Im deutschen Recht gibt es zum Glück inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich für die Betreuung pflegebedürftiger naher Angehöriger freistellen zu lassen“, sagt Till Bender, Sprecher des DGB Rechtsschutz.
Wichtig: Häufig sehen Tarifverträge und gelegentlich Arbeitsverträge auch weitergehende Freistellungen vor, so Till Bender. „Dies sollte man prüfen, wenn man in eine solche Situation gerät.“
Betroffene können unter drei Varianten auswählen beziehungsweise diese miteinander verknüpfen:
„Vergütungsansprüche bestehen in der Regel nicht“, so Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Für die kurze Pflegefreistellung besteht aber einmal im Jahr und für jede zu pflegende Person für bis zu zehn Tage Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Nahe Angehörigen können die Leistung bei der Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung des Bedürftigen beantragen - es beträgt in der Regel 90 Prozent des Nettoeinkommens.
Bei einer Pflege- oder Familienpflegezeit ist die Situation anders: Im Gegensatz zur kurzzeitigen Verhinderung besteht kein Anspruch auf Lohnersatzleistung, sondern nur auf ein zinsloses Darlehen, das in monatlichen Raten ausgezahlt wird.
Die Angehörigen können möglicherweise vom Pflegegeld profitieren, das die Pflegeversicherung denjenigen zahlt, die pflegebedürftig sind. Es ist gestaffelt nach dem Pflegegrad, und der pflegebedürftige Mensch kann selbst entscheiden, wie er dieses Geld verwendet. „Wenn die Pflege durch Angehörige erfolgt, wird deren Verdienstausfall damit ein Stück weit kompensiert“, so Bender.
Einfach so geht das nicht. Wer ankündigt, wegen der Pflege von nahen Angehörigen eine Zeit lang ganz oder teilweise von der Arbeit fernzubleiben, habe von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende der jeweiligen Freistellungszeit einen besonderen Kündigungsschutz, so Bender. Das Arbeitsverhältnis kann in einem solchen Fall nur mit behördlicher Zustimmung gekündigt werden.
Nein. Einen Anspruch auf Pflegezeit gibt es erst in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten, auf Familienpflegezeit erst mit mehr als 25 Beschäftigten. Laut Nathalie Oberthür gibt es darüber hinaus mehrere unterschiedliche Voraussetzungen für den Anspruch auf (Familien-)Pflegezeit, die vorliegen müssen. Zum Beispiel die notwendige Pflegesituation, die Einhaltung einer Ankündigungsfrist, die Größe des Betriebes. Teilweise kann die (Familien-)Pflegezeit auch aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden.
Sind Pflegezeit und Familienpflegezeit ausgeschöpft oder aufgrund der Betriebsgröße nicht möglich, kommen für Beschäftigte unter Umständen auch flexible Arbeitszeiten, Teilzeitmodelle, Sabbaticals und Sonderurlaub infrage. „Sie müssen aber mit der Arbeitgeberin vereinbart werden“, sagt Oberthür.
Wer etwa in Teilzeit wechseln will, muss seinen Wunsch auf Verringerung seiner Arbeitszeit spätestens drei Monate vor deren Beginn mitteilen, so Bender. Problem: Die Arbeitszeit sei dann dauerhaft reduziert, obwohl der Pflegebedarf häufig vorübergehend ist, gibt der Rechtsexperte zu bedenken. Hier lohnt es sich zu prüfen, ob Anspruch auf Brückenteilzeit besteht.
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