Wenn Jörg Kerner dieses Detail des neuen Porsche Macan demonstriert, kann sich der Baureihenleiter ein verzücktes Grinsen kaum verkneifen. Denn man muss nur über den Bug des elektrischen Geländewagens streichen, schon springt der Deckel auf und gibt den Blick frei auf einen Stauraum von 84 Liter Größe.
Für Porsche ist das, was heute „Frunk“ heißt, weil es die englischen Worte „Front“ und „Trunk“ (Kofferraum) kombiniert, zwar nichts Neues. Schließlich haben die Schwaben dem Heckmotor ihrer Sportwagen sei Dank damit schon mehr als 70 Jahre Erfahrung. Doch zeigt die fast sinnliche Inszenierung ein neues Bewusstsein für den Stauraum unter der Fronthaube (E-Motoren brauchen weniger Platz als Verbrenner), der gerade bei der Generation E hoch im Kurs steht.
„Das hat zwei Gründe“, sagt Stefan Moeller. Der Leipziger ist E-Fluencer mit eigenem Youtube-Kanal, propagiert seit Jahren das Elektroauto und vermittelt und vermietet über seine Firma Fahrzeuge verschiedenster Hersteller.
Zum einen, sagt er, macht der Frunk für die E-Community einen nennenswerten Unterschied zur „alten Welt“ der Verbrenner aus und unterstreicht für jeden sichtbar und mit spürbarem Mehrwert, dass ein E-Auto keinen klassischen Motor mehr hat. Und zum anderen schätzten die E-Fahrer den separaten Stauraum als besten Platz fürs Ladekabel.
„Denn niemand will das erst zwischen Gepäck oder Einkäufen aus dem Kofferraum nesteln oder vor dem Aufladen erst Ausladen, weil es im Unterboden verstaut ist“, sagt Moeller. Und wenn es bei Schmuddelwetter erst mal im Dreck gelegen habe, wolle man sich damit auch nicht das Auto verschmutzen. Vorn verstaut dagegen sei das Kabel immer greifbar und möglicher Schmutz bleibe dem wohnlichen Teil des Wagens fern.
Dummerweise hat sich Bedeutung des Frunks noch nicht bei allen Herstellern herumgesprochen. Während ihn Porsche beim Macan sinnlich inszeniert oder Ford den Stauraum etwa beim Mach-E oder beim Pick-up F150 Lightning fürs Picknick auf dem Parkplatz auch als Barfach mit Crushed Ice in Szene setzt, gibt es bislang zum Beispiel bei den sogenannten MEB-Modellen des VW-Konzerns oder bei vielen elektrischen BMW-Fahrzeugen unter dem Bug nur Antriebs- oder Klimatechnik. Und bei Mercedes braucht man sogar spezielles Werkzeug, um die Haube von EQE oder EQS überhaupt öffnen zu können.
Doch mittlerweile stoßen findige Unternehmer in diese Lücke und das Internet ist voll von mehr oder minder aufwendigen Nachrüstlösungen. Firmen wie frunk.at, Wokeby oder Rati Frunk bieten zu Preisen von wenigen hundert Euro maßgeschneiderte Wannen aus Kunststoff oder Stoff an, die bei Autos wie dem VW ID.4 oder dem BMW i5 unter die Haube passen: Mal einfach zum Aufstecken und mal erst nach dem Entfernen einer werkseitig montierten Abdeckung, bietet das Zubehör zusätzlichen Stauraum, der allemal fürs Ladekabel und oft auch noch fürs Warndreieck oder andere Pannenausrüstung reicht.
E-Fluencer Stefan Moeller kennt viele der Nachrüstlösungen, hält sie für durchaus praktisch und sieht keine grundsätzlichen Probleme bei der Nutzung. Schließlich müsse man beim E-Auto anders als beim Verbrenner kaum thermische Bedenken haben und bewegliche Teile unter der Haube gebe es auch weniger. „Solange die zum jeweiligen Auto passen, sie stabil sind und sicher befestigt, gibt es dagegen wenig einzuwenden.“
Doch weil man sich mit derartigen Um- und Einbauten vor allem in Sachen Garantie in einer rechtlichen Grauzone bewege, rät Moeller zu Umsicht und Vorausschau: „Am besten baut man nur Nachrüstlösungen ein, für die man die originale Konstruktion nicht beschädigen muss. Und alles, was man ausbaut, hebt man vorsichtshalber auf, damit man es vor einem Werkstattbesuch oder spätestens beim Weiterverkauf wieder einbauen kann.“
Zwar sind Nachrüstlösungen für Bestandsfahrzeuge eine praktische Alternative. Doch wird man sie auf Dauer womöglich nicht brauchen. Denn immer mehr Hersteller entdecken mittlerweile ihr Faible für den Frunk und sehen selbst bei Fahrzeugen einen zusätzlichen Stauraum vor, die es parallel auch noch als Verbrenner gibt. Der neue Alfa Junior bekommt deshalb nach Angaben des Herstellers genauso einen Mini-Frunk wie der Kia Niro.
Und selbst, wenn der klassische Motorraum tabu bleibt, gibt es neuerdings pfiffige Lösungen fürs Ladekabel. So hat etwa Skoda für den kleinen E-Geländewagen Elroq ein Transportnetz entwickelt, das unter der Hutablage befestigt ist und deshalb auch bei vollem Kofferraum bequem benutzt werden können soll.
Die vielleicht pfiffigste Lösung gibt es aber beim Fiat Grande Panda: Wer damit an die Wallbox rollt, der öffnet nur eine Klappe im einstigen Kühlergrill und zieht ein Spiralkabel heraus, wie es jeder vom Staubsauger kennt.
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