Führungswechsel in der Opel-Familie: Nachdem die Hessen mit Blick auf ihre CO2-Bilanz und die Lizenzzahlungen an die alte Mutter General Motors den Insignia eingestellt haben, rückt der neue Grandland an die Spitze der Modellpalette.
Wenn in diesem Herbst die zweite Generation des Geländewagens an den Start geht, gibt es nicht nur neue Antriebe und ein edleres Ambiente. Der Fünfsitzer streckt sich mit 20 Zentimetern mehr auf eine Länge von 4,65 Metern und wird so seinem Namen gerecht. Die Preise steigen dagegen nur moderat und beginnen für den Verbrenner bei 36.400 Euro.
Als Basis dient dem Grandland erstmals bei Opel die Konzernplattform STLA Medium, die für Elektroautos optimiert wurde. Deshalb rücken die Hessen auch die E-Versionen in den Vordergrund - selbst wenn damit der Preis auf mindestens 46.740 Euro steigt.
Dafür gibt es einen Frontmotor mit 157 kW/213 PS und 345 Nm, der im besten Fall in 9,0 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigt und schon bei 170 km/h wieder eingebremst wird. Dabei ist der Opel doch so stolz darauf, die strammsten, knackigsten - kurz: autobahntauglichsten - Autos in der Familie zu bauen und der französischen Nonchalance ein wenig deutsche Lenk- und Federungspräzision entgegenzusetzen.
Der Grandland fährt sich deshalb auch bis in hohe Geschwindigkeiten spurstabil, ist leicht auf Kurs zu halten und nimmt Kurven mit einer Verve, die Fahrern ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Trotzdem poltert er nicht plump über Unebenheiten, sondern bügelt die Straße angenehm glatt.
Gespeist wird die E-Maschine aus zwei verschiedenen Akkus: In Basisversion steckt ein Block mit 73 kWh, der für 532 Kilometer reicht. Und alternativ gibt es 82 kWh für 582 Kilometer. Und wie im Peugeot 3008 wird es eine Version mit zwei Motoren geben, dann mit 220 kW/300 PS und der Option zu Allradantrieb.
Später folgt ein Topmodell mit 97 kWh, das dann sogar 700 Kilometer weit kommen soll. Sind die Akkus leer, wird es ein wenig langatmig. Denn während man gegen Aufpreis an der Wallbox von 11 auf 22 kW Ladeleistung upgraden kann, bleibt es am Schnelllader bei alles andere als schnellen 160 kW.
Wer die Geduld nicht aufbringen will, aufs Geld schauen muss oder schlicht schneller fahren will, der bekommt noch zwei Alternativen, bei denen Opel sukzessive den Grad der Elektrifizierung herunterschraubt: Einen Plug-in-Hybrid mit 143 kW/195 PS Systemleistung, 87 Kilometern elektrischer Reichweite und 220 km/h Spitze für 40.150 Euro oder den Basis-Benziner mit Mild-Hybrid-Technik. Der hat allerdings für ein Flaggschiff eher bescheidene drei Zylinder mit 1,2 Litern Hubraum, kommt auf 100 kW/136 PS und schafft 202 km/h.
Während der Antrieb aus dem Baukasten stammt, geht Opel bei Aufbau, Ambiente und Ausstattung eigene Wege: Der Fünfsitzer hat zugunsten der Hinterbänkler und der Laufruhe deshalb mehr Radstand als der Peugeot, nimmt sich ansonsten aber ein wenig zurück und trägt nicht ganz so dick auf. Allerdings leistet sich auch das Opel-Design eine gewisse Extravaganz: Das Gesicht ziert jetzt eine durchgehende LED-Leiste, der Blitz ist hell erleuchtet und an Heck schimmert unter Glas in roten LED der Opel-Schriftzug.
Am meisten Eigensinn beweisen die Hessen aber innen - und verweigern sich bewusst dem Trend zu riesigen Bildschirmlandschaften. Stattdessen gibt es über dem relativ kleinen Cockpit ein Head-up-Display Display und daneben einen schlanken und dafür breiten Touchscreen. Die Software darauf lässt allerdings wenig Wünsche offen. Sie arbeitet mit ChatGPT, die Grafiken lassen sich individuell anordnen und auf Wunsch auch auf ein Minimum reduzieren und die Routenplanung berechnet nun endlich auch die Ladestopps.
Dazu gibt es ein paar pfiffige Petitessen, die man eher bei Skoda erwartet hätte. Etwa die smarte Ladebox fürs Handy, durch deren halb transparente Scheibe man trotzdem auf den Bildschirm schielen kann, oder die tiefe Rinne im Sitzkissen, die das Steißbein entlasten und den Langstreckenkomfort erhöhen soll.
Hinten lässt der Erfindergeist spürbar nach: Ja, an den Rückseiten der vorderen Lehnen sind Taschen für Handy & Co. Aber weder gibt es eine verschiebbare Rückbank noch irgendwelche pfiffigen Konsolen - immerhin ist die Lehne dreigeteilt und im Kofferraum haben sie einen doppelten Boden eingezogen. So lassen sich die 550 bis 1.645 Liter besser dem jeweiligen Bedarf anpassen.
SUV in der Mittelklasse gibt es wie Sand am Meer, und wenn es um den Antrieb geht und um den Auftritt, dann tut sich der Opel schwer, aus der Masse herauszustechen. Für Opel-Kunden sicher ein Aufstieg, ist es für Fahrer von Skoda & Co allenfalls ein Umstieg. Und mit der engen Verwandtschaft zu Peugeot und den andren Stellantis-Marken wird es mit der Eigenständigkeit noch schwerer. Es sind deshalb Details wie die ergonomischen Sitze, die pfiffige Pixelbox, die digitale Entschlackung oder die deutsche Präzision im Fahrwerk, die den Grandland am Ende doch zu etwas Besonderem machen.
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