Darf man nicht einmal mehr Osterhase sagen? Ist das Abendland endgültig in Gefahr, wenn manche Läden „Sitzhasen“ in ihrem Sortiment führen? Das beschwören einige Wut-Kommentare vor allem aus rechten Kreisen in sozialen Medien herauf: Der Osterhase sei angeblich einer Sensibilität anderen Kulturen gegenüber zum Opfer gefallen und muss sich nun mit einer weniger christlichen Bezeichnung verkaufen lassen.
Discounter wie Lidl und Aldi haben den Osterhasen verboten. Stattdessen verkaufen sie die Süßigkeiten als „Sitzhasen“, um Rücksicht auf die nicht christliche Kundschaft zu nehmen.
Falsch. Die Discounter verkaufen weiterhin Produkte mit dem Wort Ostern.
Man kennt sie seit gefühlten Ewigkeiten: „Schmunzelhasen“ von Milka oder „Goldhasen“ mit Glöckchen von Lindt warten in vielen Supermärkten in Reih und Glied, um in Osternestern eine neue Heimat zu finden. Am Namen gestoßen hat sich in den ersten Jahrzehnten anscheinend niemand, obwohl „Ostern“ darin gar nicht vorkommt. Der erste „Goldhase“ wird seit 1952 hergestellt, der „Schmunzelhase“ folgt 1973.
Doch im aktuellen politischen Klima wird ein vermeintlicher Kulturkampf angestoßen unter anderem um den „Favorina Sitzhasen mit Schleife“, der im aktuellen Lidl-Prospekt angeboten wird. Aldi wiederum verkauft die Süßigkeiten der Eigenmarke Moser Roth als „Sitzhasen“.
So sprechen etwa AfD-Politiker auf sozialen Medien deswegen schon von einer „Entfremdung unserer Traditionen“. Deutschland schaffe sich ab, heißt es an anderer Stelle. Von einer „schleichenden Islamisierung“ ist gar die Rede.
Doch dass die Unternehmen bei ihren Eigenmarken das Wort Ostern umgehen, ist schlicht und ergreifend erfunden. Lidl in Deutschland vermeide die Bezeichnung Ostern nicht, teilt das Unternehmen auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. Und tatsächlich: Im aktuellen Prospekt bietet der Discounter etwa das „Favorina Osternest mit Hohlfiguren“, den „Favorina Ostermischbeutel“ und die „Favorina Ostertasse“ an. Es gibt sogar einen „Favorina XL Osterhasen“ im Sortiment.
Aldi verkauft über Moser Roth wiederum ebenso „Feine Ostereier“ oder „Mini-Ostereier“. Bei dem Discounter gibt es neben dem hockenden „Sitzhasen“ übrigens auch einen aufrechten „Stehhasen“.
„Einige Schokoladenhasen bezeichnet Lidl in Deutschland seit einigen Jahren als Sitzhasen, um eine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Artikeln zu ermöglichen“, teilt das Unternehmen mit. Unterschiedliche Bezeichnungen entsprächen einer branchenüblichen Praxis.
Also: alle Aufregung um nichts. Ein „Sitzhase“ ist einfach ein sitzender Hase. Und der Geschmack der Schokolade unter der Hülle ist für die meisten wahrscheinlich ohnehin wichtiger als ein wie auch immer gearteter Name auf der Verpackung.
Schon vor Jahren gab es einmal eine Debatte um die Bezeichnung „Traditionshase“. Damals war der Vorwurf so falsch wie heute. Selbst der offizielle AfD-Fanshop rief auf Facebook dazu auf, sich „schnell noch AfD-Schokohasen“ zu sichern. Erst 2018 wurde der Post nachträglich in „AfD-Schokoosterhasen“ geändert.
Ähnlich aufgebauscht wird gern im Dezember, wenn der ein oder andere Schokomann nicht Nikolaus heißt oder das Wort Weihnachten in sich trägt. Das Narrativ ist immer das gleiche: Christliche Traditionen sollen angeblich zurückgedrängt werden - tatsächliche Belege dafür fehlen allerdings.
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