Ob es der pinke Stift ist, den Luisa ihrer Schwester gemopst hat, der Bauklötzchenturm von Luis, den Luca beleidigt eingetreten hat oder Max, der Arnos heilige Playmobil-Figur auch nur angefasst hat - wenn sich Geschwister mit viel Geschrei zoffen, betteln Eltern: „Könnt ihr euch nicht einfach mal vertragen?!“ Doch das ist schwer für die lieben Kleinen, die sich permanent an ihrem Sparringspartner daheim abarbeiten.
Das sichere heimische Umfeld ist auch der Grund für das ständige Gefetze. „Hier können sie sich ihrer Bindung sicher sein und alles rauslassen. Streit gehört da eben auch dazu“, erklärt Inés Brock-Harder, Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche in Halle (Saale) in der Apotheken-Umschau „Eltern“ (Ausgabe 11/2025).
Die Expertin rät Eltern nicht bei jeder Auseinandersetzung ins Kinderzimmer stürmen. „Kleinere Zankereien lässt man die Kinder lieber alleine lösen. Wenn es zu Handgreiflichkeiten kommt, müssen Eltern aber einschreiten. Vor allem, wenn es für eines der Kinder gefährlich wird“, so Brock-Harder. Dann könne man etwa sagen: „Ich kann verstehen, dass du jetzt wütend bist. Aber ich möchte nicht, dass ihr euch wehtut.“
Ansonsten sollte es für Eltern heißen: Abwarten, bis die Emotionen verraucht sind. Erst dann könne man mit den Kindern ins Gespräch gehen - und vielleicht erreichen, dass sie die Perspektive ihres Gegenübers verstehen.
Sich als Eltern in diese Verstrickung zu begeben, ist laut dem Kölner Erziehungswissenschaftler Jan Frederik Bossek riskant. Er rät in der „Eltern“-Ausgabe, älteren Kindern klarzumachen, dass ihr Streit bis zu einer definierten Grenze ihre Sache ist. Man könne allerdings auch fragen, ob Einmischen gerade erwünscht ist.
„Das Beste, was Eltern machen können: den Kindern ihre Konfliktkompetenz deutlich machen“, so Bossek. Aber auch das Versöhnen beibringen, denn: „Wenn sich Geschwister nicht vertragen, verhärten sich die Konflikte mit der Zeit, sie werden nicht bewältigt.“
Dass Geschwisterbeziehung auch von Rivalität geprägt ist, sieht Inés Brock-Harder locker. So könnten sich Kinder früh daran gewöhnen, dass es im Leben nicht immer gerecht zugehen kann. „Fragt man drei Geschwister, sind alle drei in der Familie benachteiligt. Eine objektive Wahrnehmung gibt es da nicht“, sodie Psychotherapeutin.
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