Hände hoch! Diesen Selfie-Spot an „The Bund“, der Uferpromenade des Flusses Huangpu, lässt nicht kaum jemand entgehen. Die Kulisse ist irre: Drüben türmt sich das Manhattan Shanghais auf, ein Wirrwarr aus Hochhäusern wie aus einem Megabaukasten, gekrönt vom 623 Meter hohen Shanghai Tower, einem der höchsten Gebäude der Welt.
Nach Einbruch der Dunkelheit füllen sich die Fassaden der Wolkenkratzer mit Leben, dann glitzern bunt die Lichter. Hier erlebt man Chinas Millionenmetropole von ihren modernsten, spektakulärsten Seiten. Davor, auf dem Strom, schieben sich Frachter und Ausflugsboote vorbei.
Wie lange sich die sich selbst ablichtenden Touristen in der Stadt wohl aufhalten? Vielleicht nur kurz. Denn Shanghai lohnt für einen Stopover: Eine Weltstadt wie diese ist einfach zu schade, um nach der Ankunft nur über den Airport zu tigern oder die Zeit bis zum Anschlussflug in einer Lounge zu vertrödeln. Das ist in Dubai, Singapur, Madrid und Bangkok nicht anders. Oft werden für Zwischenlandungen die Heimatflughäfen der gewählten Airline angesteuert, deren Drehkreuze.
Ein Stopover ist ein oft unterschätztes Reiseerlebnis, das aber gut geplant sein sollte. Der Citytrip für zwischendurch bedarf detaillierter Planung: Vielleicht ein bis zwei Übernachtungen sollten eingetütet, an Online-Reservierungen für wichtige Sehenswürdigkeiten oder Sightseeing-Busse und an einen City-Pass gedacht werden. Und vielleicht an eine Tour oder Stadtführung.
Und an den Weiterflug. Hier bieten manche Airlines sogenannte Stopover-Programme an: Wenn Passagiere die Zwischenlandung um ein paar Tage verlängern wollen, verlangen die Gesellschaften keine Aufschläge aufs Ticket. Manche werben auch mit Rabatten bei der Unterkunft.
Viel erleben in kurzer Zeit - das jedenfalls ist das Motto beim Stopover. Im Fall von Shanghai, sagt Stadtführerin Pu Yihua, könne man an einem vollgepackten Tag das Wichtigste sehen. Wer auf schnellstem Wege zum Bund möchte, nimmt ab Airport Pudong die Metro in die Innenstadt und steigt am People’s Square oder der Station Nanjing Road East aus. Von dort ist es jeweils nicht weit zur bekannten Uferpromenade, die Aussichten auf die Skyline bietet.
Mit Pu Yihua unterwegs, bleibt sogar Zeit für einen kurzen, persönlichen Blick in die Geschichte ihrer Heimatstadt. „Als ich klein war, hatten wir bei uns zuhause keinen Kühlschrank und keinen Fernseher.“ Hochhäuser kamen erst in den Neunzigerjahren. „Bis dahin waren da nur Bauernhäuser und Reisfelder“, so die 46-Jährige.
Dann katapultierte sich Shanghai an die Spitze der chinesischen Industrieplätze, doch nicht alles wurde flächendeckend zubetoniert. Um den zentralen People’s Square wurzeln Bäume und Blumen im Großstadtdschungel, und der elegante, einst private Yu-Garten aus dem 16. Jahrhundert in der Altstadt im Huangpu-Distrikt fungiert gar als Musterbeispiel chinesischer Gartenarchitektur.
„Als Philosophie stand dahinter, in einer idyllischen Oase in innerer Harmonie zu leben“, sagt Führerin Yihua. Hinter jeder Biegung öffnet sich ein neues Bild: ein Teich, die Drachenmauer, Naturskulpturen aus durchlöcherten Kalksteinen, Wandelgänge, alte Baumriesen wie ein Gingko und eine Magnolie. Alles nicht unbedingt Dinge, die man als Erstes mit einer Megacity verbindet.
Doch historische Bauten sind in Shanghai die Ausnahme. Eine ist der Jadebuddha-Tempel von 1882 im Bezirk Jing’an. Die Räuchergaben dampfen wie in anderen Metropolen Asiens, an Bonsais und Löwenskulpturen baumeln beschriftete Glücksbändchen. Beim Zugang in die Halle der Himmelswächter passiert man extrem hohe Schwellen. „Die sind dazu da, um die bösen Geister abzuhalten, denn Geister haben keine Knie“, sagt Yihua.
Die umgewandelte Altstadt hat disneyländischen Anstrich – entzückt aber mit fantasievollen Fassaden und Dächern, vor allem im Lichterzauber bei Dunkelheit. Laut der Gästeführerin war es einst ein Konglomerat aus normalen Wohnhäusern, bevor es der Staat in eine touristische Schau- und Einkaufskulisse mit Boutiquen, Restaurants, Teehäusern, Cafés und Souvenirläden verwandelte.
Im Finanzdistrikt Lujiazui wuchern die Wolkenkratzer, angeführt vom Shanghai Tower. In knapp einer Minute schießt der Aufzug auf 546 Meter Höhe zur verglasten Aussichtsetage. Manchmal trübt leider Dunst die Sicht.
Ein kurioses Ziel ist das Shanghai Propaganda Poster Art Centre, das sich im Distrikt Changning in einem Bürohochhaus versteckt. Es zeigt Zeitdokumente kommunistischer Indoktrinierung, natürlich frei von kritischen Ansichten. „Die Poster hingen einstmals in Schulen, Universitäten, Fabriken, Büros“, sagt Direktor Yang Peiming, der die ungewöhnliche Sammlung zusammengetragen hat. Viele historische Poster seien vernichtet worden, sagt der 75-Jährige. Dafür prangt der einstige Führer Mao Zedong mehrfach in heroischen Posen an den Wänden. Das Museum wird staatlich unterstützt.
Je nach Länge des Stopovers bleibt Zeit, weitere Kreise zu ziehen. Lohnenswert ist der Besuch eines von über zehn Wasserdörfern in der Nähe der Metropole. Ein Tipp ist Luzhi mit einem Netz aus Kanälen, durch die Ausflugsboote schaukeln. Jede Brücke trägt einen anderen Namen: Brücke des Glücks, Brücke des ewigen Friedens, Brücke der duftenden Blumen.
Ein Stückchen weiter in Luzhi hängt an einem Snackstand der Geruch von Tofu in der Luft. Apropos Kulinarik: Auch die Küche Shanghais verspricht Spannung. Knuspriges Schweinefleisch süß-sauer, serviert in einer Schale aus Eiswürfeln – eine feine Überraschung. Anders als nach dem ereignisreichen Zwischenstopp der Weiterflug - denn der ist fest gebucht.
Reiseziel: Shanghai liegt in Ostchina und ist Drehkreuz von China Eastern Airlines.
Einreise: Bei Aufenthalten bis zu 30 Tagen kann ohne Visum nach China eingereist werden, es genügt ein gültiger Reisepass. Diese Regelung gilt vorläufig bis Ende 2025.
Stadtrundgang: Ganztagestouren mit deutschsprachigem Guide und zwei Mahlzeiten (ab 168 Euro pro Person) organisiert etwa der Shanghai China International Travel Service (SCITS), einst einziger Reiseveranstalter in Shanghai. Ein anderer Anbieter von Stadttouren ist Asia Odyssey Travel.
Geld: Landeswährung ist der Renminbi Yuan (RMB), 1 Euro entspricht 7,9 Yuan (Stand: 13.03.2025). Bargeld ist gängig, aber auch das Onlinebezahlsystem Alipay.
Weitere Auskünfte: über die Shanghai Municipal Administration of Culture and Tourism (meet-in-shanghai.net). Vielerorts werden internationale Kreditkarten nicht akzeptiert.
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