Spielsucht ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die sehr viele Menschen betrifft und gefährdet. Vor allem ist sie eine Herausforderung für Betroffene, aber auch das Umfeld. Was es dazu zu wissen gibt:
„Die Gründe für die Entwicklung einer Glücksspielsucht sind häufig vielfältig. Grundsätzlich verbinden die meisten Menschen mit dem Spielen - und auch mit dem Glücksspiel - Spaß, Spannung und Unterhaltung“, erklärt eine Sprecherin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Lockt ein Geldgewinn, sind Glücksspiele für manche besonders reizvoll.
„Die Spiele selbst sind zum Teil auch sehr attraktiv gestaltet mit Licht- und Klangeffekten, die bei manchen Menschen einen regelrechten Kick auslösen können“, so die BZgA-Sprecherin. Nutzen Menschen das Spielen, um etwa persönliche Belastungen, negative Gefühle, Stress und Ärger zu verdrängen oder zu vergessen, bestehe ein erhöhtes Risiko für eine Suchtentwicklung.
Dabei gibt es Abstufungen je nach Art des Spiels: „Das hat mit verschiedenen Spielmerkmalen zu tun, zum Beispiel der Ereignisfrequenz“, sagt Prof. Nina Romanczuk-Seiferth, Expertin für Verhaltenssüchte und Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der MSB Medical School Berlin. Ihr zufolge bergen besonders Spielautomaten, Sportwetten, Poker, aber auch etwa Roulette im Casino ein hohes Suchtpotenzial. Im Gegenzug sei Lotto ein Glücksspiel, bei dem man relativ wenig anfällig für die Entwicklung einer Abhängigkeit sei.
Zum Beispiel am Kontrollverlust und an steigenden Einsätzen: Die Erkrankung äußert sich durch sogenanntes Gedankenkreisen, heißt es von der BZgA: Betroffene denken dauernd ans Spielen, berufliche und soziale Verpflichtungen werden nachrangig, Beziehungen leiden. Ein Schlüsselmerkmal für Glücksspielsucht ist der Verlust der Kontrolle über das Spielen, das Ausmaß und die Dauer der Spielaktivitäten. Typisch ist auch das Spielen mit immer höheren Einsätzen, oft über das verfügbare Budget hinaus. Hier besteht auch große Überschuldungsgefahr.
Auch das Spiel als Coping-Strategie kann ein Indiz sein: Das bedeutet, dass sich der Reiz des Spiels mit der Zeit von dem tatsächlichen Geldgewinn hin zur Erwartung des potenziellen Gewinns verlagert, was eine wichtige Rolle im motivationalen System des Gehirns spielt. „Am Anfang kann das sein, dass ich erst mal nur dem Reiz erliege, Geld zu gewinnen - und dass ich dann aber später spiele, um Stress abzubauen oder mit negativen Gefühlen umzugehen.“ Hilft das Daddeln dabei selbst ohne den Gewinn, wird's kritisch.
Ein weiteres Warnsignal ist das sogenannte „Loss Chasing“: „Wenn jemand das Weiterspielen damit begründet, die Verluste vom Vortag ausgleichen zu wollen, ist das sehr typisch für eine problematische Entwicklung.“
Und dann ist da noch der defensive Umgang mit dem Problem: Betroffene tendieren dazu, „herunterzuspielen, wie groß das Ausmaß ist, wenn er oder sie darauf angesprochen wird“, sagt Nina Romanczuk-Seiferth.
Betroffen oder nicht? Auf der Webseite der Landeskoordinierungsstellen Glücksspielsucht man einen Selbsttest machen: https://www.bundesweit-gegen-gluecksspielsucht.de/
Viele Betroffene finden zunächst über allgemeine Beratungsstellen Zugang zu spezifischer Hilfe, so Romanczuk-Seiferth - etwa weil es wegen der Spielsucht Probleme in der Familie oder bei der Arbeit gibt. „Die Therapie einer Glücksspielsucht kann ambulant oder stationär erfolgen, das hängt von den Lebensumständen der Betroffenen ab und der Schwere der Erkrankung“, so die BZgA-Sprecherin. „Eine besondere Herausforderung ist häufig, dass Betroffene meist auch unter weiteren psychischen Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Depressionen leiden. Auch das Risiko eines Suizids ist bei Spielsüchtigen erhöht.“
Evidenzbasierte, verhaltenstherapeutische Angebote sind laut der Verhaltenssucht-Expertin besonders wirksam. Sie helfen, Auslösesituationen zu erkennen und ohne Glücksspiel zu bewältigen. Hier sind Einzel- und Gruppentherapieangebote verfügbar. Letztere bieten den Vorteil, Erfahrungen mit anderen Betroffenen zu teilen, eine Einzelberatung oder -therapie kann dagegen individueller ansetzen.
Auch in der Spielsuchthilfe kann eine stationäre Entwöhnung in Klinik oder Reha mit spezifischen Angeboten für Glücksspielsucht-Betroffene erfolgen. Der Nachteil: Es gibt relativ lange Wartezeiten. Bei ambulanten Reha-Angeboten seien die Plätze ebenfalls begrenzt, sagt Romanczuk-Seiferth.
Wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen können Rückfälle zur Behandlung gehören, erklärt die Psychologin. „Grundsätzlich hängt so die Prognose natürlich auch von individuellen Faktoren ab, etwa wie lange jemand schon spielt.“
Sie empfiehlt, „Menschen im Umfeld einzubeziehen, und diese Sozialpartner auch mal mit in Beratung oder Therapie zu nehmen.“ Daneben ist es wichtig, auch die Schuldenproblematik in den Blick zu nehmen, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. „Grundsätzlich gilt: Je längerfristig ich eine Behandlung, die gut auf mich zugeschnitten ist, aufsuchen kann, desto besser die Prognose“, so Romanczuk-Seiferth.
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