Wer in den Niederlanden einmal zum Borrel eingeladen war, der kennt Filet Americain wahrscheinlich. Borrel, das ist ein zwangloses Treffen von Arbeitskollegen oder Nachbarn mit kleinen Häppchen und Getränken, um das Wochenende einzuleiten.
„Die Borrelhapjes sind Sandwiches, Cracker oder Toast, belegt mit Käse, Wurst oder eben bestrichen mit Filet Americain“, sagt Inga Pfannebecker, Diplom-Ökotrophologin und Food-Journalistin aus Amsterdam. Dem Kenner läuft bereits das Wasser im Mund zusammen, und der Rest rätselt vermutlich, was sich hinter Filet Americain verbirgt.
Der Name täuscht. Es handelt sich weder um Filet noch kommt es aus Amerika. Die Delikatesse besteht, ähnlich wie Mett und Tatar, aus rohem, stark zerkleinertem Fleisch. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Das in Deutschland beliebte Mett wird aus Schweinefleisch gemacht und kommt mit Salz und Pfeffer aus. Gestrichen auf eine Brötchenhälfte, hat es als Mettbrötchen Kultstatus.
„Im Gegensatz zu Mett, dass aus Schweinefleisch mit 30 Prozent Fettabteil stammt, wird für Tatar mageres, sehnenarmes Rindfleisch verwendet“, sagt Thomas Dippel, Koch und Kochbuchautor. Neben dem gewolften Rindfleisch kommen noch klein geschnittene Kapern und Schalotten, Eigelb, Senf, Worcestersauce und ein Spritzer Tabasco ins Gericht. Meist wird Tatar rund angerichtet.
„Filet Americain besteht zu mindestens 2/3 aus magerem Rindfleisch“, so Pfannebecker. Wie Tatar wird es durch den Fleischwolf gedrückt oder sehr fein gehackt und dann mit tatar-ähnlichen Zutaten gemischt. „Seine kräftig orangerote Farbe bekommt das Filet Americain vom Rindfleisch und einer großzügigen Menge Paprikapulver“, sagt Pfannebecker. Die Zutaten werden im Mixer vermischt, bis das Filet Americain die Konsistenz einer Streichwurst hat.
Wer Filet Americain zu Hause machen möchte, der sollte frisch gewolftes Rindfleisch vom Metzger oder der Fleischtheke im Supermarkt kaufen und am selben Tag verarbeiten und essen. „Verwenden Sie für rohe Gerichte immer frisches Fleisch, dann sind sie auf der sicheren Seite“, so Dippel. Unter Schutzatmosphäre abgepacktes Hackfleisch sieht zwar rot aus, altert aber ab dem Moment der Herstellung und sollte nur gut durchgegart gegessen werden.
Wichtig bei rohem Hackfleisch ist die Kühlung. „Auf dem Nachhauseweg vom Einkaufen das Hackfleisch in einer Kühltasche transportieren und zu Hause sofort in den Kühlschrank räumen“, rät Pfannebecker.
Ihr niederländisches Rezept für ein klassisches Filet Americain:
300 g Rindertatar zusammen mit 2 EL Mayonnaise, 2 TL Senf, 2 TL Paprikapulver edelsüß, etwas Tabasco, etwas Worcestersauce, Salz und Pfeffer in einen Mixer geben und zu einer cremigen Paste pürieren. Nach Geschmack mit Salz, Pfeffer, Tabasco oder Worcestersauce abschmecken. Wer mag, kann es mit gehackten Zwiebeln, Essiggurken oder Kapern garnieren.
Die meisten Niederländer bereiten das Filet Americain nicht selbst zu, sondern kaufen es ein. Zum einen ist die Auswahl in den Geschäften riesig. Es gibt Filet Americain in vegan, bio, halal, als sweet chili und extra mager, mit Zwiebeln zum Drüberstreuen und für Feinschmecker mit Trüffelmayonnaise, Käseflocken und Pinienkernen.
Zum anderen habe es praktische Gründe, so Pfannebecker, denn die Reinigung des Mixers kann, lässt sich das Messer nicht entfernen, aufwendig sein. Folgender Trick hilft: „Zunächst kaltes Wasser und Spülmittel in den Mixer geben und auf höchster Stufe anschalten“, so Dippel.
Das kalte Wasser löst dabei das Fleischprotein vom Messer. Warmes Wasser hingegen würde das Fleischprotein gerinnen lassen und es am Messer festschmieren. Das schmutzige Wasser ausgießen und in einem zweiten Waschgang mit heißem Wasser und Spülmittel den Mixer restlos säubern.
Natürlich gibt es auch vegetarische Varianten in den Geschäften. „Meist bestehen sie aus Soja- oder Erbsenprotein“, so Pfannebecker. Wer es daheim ohne Fleisch probieren möchte, kann Kidneybohnen benutzen. Die Bohnen mit den weiteren Zutaten wie beim Original in den Mixer geben und streichfähig mixen. Ein Schuss Rote-Bete-Saft gibt eine attraktive rote Farbe.
„Für vegetarische Gerichte versuche ich nicht, ein Fleischgericht nachzuahmen“, sagt Dippel. Er schlägt deshalb ein Auberginen-Tatar vor. Dazu werden die Auberginen zusammen mit Knoblauch im Ofen geröstet bis sie braun sind. Tatarähnliche Stückchen vom Fruchtfleisch werden mit Schalotten und Balsamico kreisrund angerichtet. „Am Ende des Tages ist es jedoch ein anderes Gericht“, sagt Dippel, der in seinem Kochbuch „Thomas kocht: einfach vegetarisch“ fleischlose Rezepte präsentiert.
Die Niederländer lieben ihr Filet Americain. Und da sie mittags meist kalt, also Sandwiches oder Salat, essen, gibt es vom Kindergarten über Schule und Berufsleben reichlich Gelegenheit, Filet Americain zu genießen. Und nicht nur in der Gemeinschaftsverpflegung, auch auf legeren Familienfesten, im gehobenen Restaurant oder eben beim Borrel – Filet Americain findet sich überall und ist eine abwechslungsreiche Alternative zu Mett und Tatar.
© dpa-infocom, dpa:241023-930-268741/1