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Veröffentlicht am 14.01.2025 04:32, aktualisiert am 14.01.2025 12:19

Das Geschäft mit der Glatze

Aydin Kesti ist in die Türkei gereist, um sich einer Haartransplantation zu unterziehen. (Foto: Anne Pollmann/dpa)
Aydin Kesti ist in die Türkei gereist, um sich einer Haartransplantation zu unterziehen. (Foto: Anne Pollmann/dpa)
Aydin Kesti ist in die Türkei gereist, um sich einer Haartransplantation zu unterziehen. (Foto: Anne Pollmann/dpa)

Männer mit blutig angeschwollener Kopfhaut gehören zum festen Bestandteil des Istanbuler Stadtbildes - egal ob auf Einkaufsstraßen oder vor touristischen Sehenswürdigkeiten. Schätzungsweise 5.000 Kliniken machen die türkische Metropole am Bosporus zu einem Mekka der Haartransplantationen. Über die Zukunft des Haar-Hubs Istanbul gehen die Meinungen auseinander. 

Gerade in den Wintermonaten haben die Kliniken Hochsaison. Eine der Tausenden Haar-Behandlungen in dieser Saison passiert auf dem Kopf des Züricher Aydin Kesti. An einem Tag im Dezember liegt der 27-Jährige auf der Behandlungsliege. Medizinisches Personal setzt ihm Haarwurzeln ein, während er über einen Tropf Schmerzmittel bekommt, von denen er ein wenig benommen scheint. 

Die Haare lasse er sich für sein Ego machen, sagt er. „Alles 1A“, bewertet er seinen Klinikaufenthalt. Die Haartransplantation verbindet der junge Mann mit einem Kurzurlaub in Istanbul. Für die Asmed-Klinik habe er sich wegen einer Empfehlung entschieden, berichtet der 27-Jährige.

Haartransplantation ist „Mainstream“

In den vielen Kliniken der Stadt geht es längst nicht mehr nur ums Kopfhaar. Auch Bärte, Schnauzer, Augenbrauen oder manchmal auch Brusthaar werden behandelt, wie verschiedene Einrichtungen berichten. Mancherorts kann neben der Haar-Behandlung auch gleich eine Nasen-Op oder ein anderer Schönheitseingriff dazugebucht werden.

„Die Nachfrage nach Haartransplantationen hat enorm zugenommen in den vergangenen Jahren“, heißt es aus der Klinik Serkan Aygin. Umgeben von einer Menge Kunst an den Wänden geht es dort fast zu wie am Fließband. An der klinikeigenen Kaffeebar sitzen kahlgeschorene Männer und warten auf den nächsten Schritt ihrer Behandlung. Andere haben den Eingriff bereits hinter sich, wie ihr blutiger Kopf verrät. 

Auch immer mehr Frauen ließen sich behandeln, heißt es von der Klinik. „Was früher eine diskrete Mission war, ist heute fast zum Mainstream geworden.“ In sozialen Medien sprechen Menschen nun offen über ihre Transplantationen. Die Klinik macht sich das zunutze und arbeitet etwa mit Influencern zusammen.

Risiken des Eingriffs

Insgesamt 1,5 Millionen Gesundheitstouristen kamen 2023 in die Türkei, erklärt der staatliche Tourismusverband Türsab. Dabei werden nicht nur Haartransplantation vorgenommen - aber das ist der zweithäufigste Eingriff. 

Aus Deutschland reisten im vergangenen Jahr 100.000 Menschen in das Land, um sich die Haare machen zu lassen, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen, einen Augeneingriff oder eine andere Behandlungen vornehmen zu lassen, so der Verband. 

Dass Haartransplantationen in der Türkei auch einmal schiefgehen können, liest man in Foren im Internet häufiger. Deutsche Nutzer beklagen etwa, dass die Haare in die falsche Richtung wachsen oder nach einigen Jahren wieder ausfallen. 

Zukunft der Branche in der Türkei

„Es gibt so viele gute wie schlechte Kliniken in Istanbul“, meint Koray Erdogan, Arzt und Gründer der Klinik Asmed. Als er seine Klinik 2001 eröffnete, sei es gängige Methode gewesen, ganze Hautstreifen vom Hinterkopf zu entnehmen. Anfang der 2000er habe man mit der Entnahme einzelner Haarwurzeln begonnen, ohne dass Hautteile entfernt wurden und dadurch eine Narbe entstand. Eine „Revolution für die Haartransplantation“, sagt Erdogan. 

In der Türkei habe sich die neue Methode schnell verbreitet. In Europa und den USA aber habe man den Trend nicht erkannt. 2011 noch sei er damit in der US-Metropole Boston auf Unverständnis gestoßen. „Das hat der Türkei genutzt“, meint Erdogan. Außerdem sei es bei ihm in Land preiswerter als anderswo gewesen. 

„Die goldenen Zeiten in der Türkei neigen sich dem Ende zu“

Erdogan bezweifelt allerdings, dass sich die Türkei in den kommenden Jahren auf dem Gebiet behaupten können wird. Tatsächlich entwickelt sich der Gesundheitstourismus nicht so, wie erhofft. Laut Gesundheitsministerium bleiben die aktuellen Zahlen hinter den Erwartungen zurück.

Im Jahr 2023 nahm der Staat laut Statistikbehörde etwa 2,3 Milliarden US-Dollar (heute: 2,3 Milliarden Euro) aus dem Gesundheitstourismus ein. Blickt man auf Prognosen aus der Vergangenheit, sollte der Sektor ganz andere Zahlen erreichen. Vor rund zehn Jahren meinte der Tourismusverband Türsab, die Einnahmen für das Jahr 2023 könnten im Bereich von 20 bis 25 Milliarden Euro liegen.

„Die goldenen Zeiten in der Türkei neigen sich dem Ende zu“, meint Doktor Erdogan. Mittlerweile würden Kliniken in Europa Haar-Behandlungen für 2.000 Euro anbieten. „Das hat es früher nicht gegeben.“ Die Reise an den Bosporus werde damit oft hinfällig.

© dpa-infocom, dpa:250114-930-343421/2


Von dpa
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